Florenz: Facing Diversity. Intercultural Classroom Management (4)

von H. Qaser

Am 09.04.2022 bin ich in Begleitung eines Kollegen nach Florenz geflogen. Die Landung in Florenz war aufgrund der Wetterlage schrecklich- ich war tatsächlich froh, als wir endlich einen festen Boden unter den Füßen hatten. Dennoch war der Schreck nicht vor Dauer, denn ich wollte mich unbedingt auf das neue Land konzentrieren und auf die Erfahrungen, die mich dort erwarteten.
Nach der Ankunft im Hotel habe ich mir in einem Restaurant als erstes etwas zum Essen besorgt. So kann man eine harte Ladung am besten überwinden!

Nach einer erholsamen Nacht bin ich dann am 10.04.2022 mit dem Zug nach Rom gefahren. Laut Plan habe ich zuerst das Kolosseum und danach die Stadt Vatikan besucht. Die ehemalige Arena beeindruckte mich sehr. Es ist tatsächlich nur ein Überbleibsel, und dennoch so grandios. Wie soll es dann ausgesehen haben, als es noch unversehrt und voller Menschen war? Ich versuche mir das vorzustellen. Die Stadt Vatikan hat etwas Ruhiges an sich, etwas sehr Würdevolles, trotz der vielen Besucher. Besonders vor Ostern soll es dort wirklich voll sein, und das merken wir auch. Klar wäre es mir lieber, wenn weniger Menschen um uns herum gelaufen wären, aber wenn man schon in Rom ist, muss man den Vatikan-Staat gesehen haben. Also mischen wir uns einfach unter die Leute. Nach einem richtig ausgiebigen Spaziergang, mit vielen Fotos als Erinnerung in meinem Handygerät, bin ich dann am späten Nachmittag zurück nach Florenz gereist. Morgen geht es also endlich zu meinem Seminar!

Montag, den 11.04.2022, Tag 1.

Laut Plan sollte der Kurs am Montag um 14:00 Uhr beginnen. Ich bin aber früher losgefahren, und habe die Stadt besichtigt, dabei aber ein sehr nettes Café entdeckt und mich zuerst für den Kurs mit einem guten italienischen Kaffee gestärkt. Ich habe es dennoch geschafft, überpünktlich im Kurs anwesend zu sein.

Als Begrüßung haben alle Teilnehmer, die aus verschiedenen Ländern wie Portugal, Spanien, Rumänien, und Deutschland kommen, eine Tasche bekommen. In der Tasche gibt es ein kleines Heft mit Stift und Wi-Fi password. Wie nett!

Damit die Teilnehmer sich besser kennenlernen, haben wir zuerst ein Kennenlernspiel gespielt. Wir haben uns gegenseitig Fragen gestellt, bzw. uns interviewt.

Es ist schön, dass wir 10 Personen aus verschiedenen europäischen Ländern hergekommen sind. Außer mir sind noch 3 Personen aus Deutschland.

Weiter ging es mit den Präsentationen der Teilnehmer. Jeder sollte seinen Arbeitsplatz vorstellen und die Institution, in der man arbeitet. Das nimmt tatsächlich einiges an Zeit in Anspruch. Wir sind Mitarbeiter einer VHS aber es gibt durchaus auch andere Institutionen hier, und es ist sehr interessant für mich, über die Arbeitsgebiete der anderen Teilnehmer mehr zu erfahren.

Unsere Dozentin, Frau Dari, hat uns danach über Sehenswürdigkeit der Stadt Florenz erzählt. Ebenfalls über mögliche Exkursionen, die wir am Mittwoch, Freitag oder am Samstag mitmachen dürfen.

Unser Unterricht beginnt offiziell mit dem Thema „Interkulturell und Multikulturell“.

Unter Multikulturell versteht man eine Gesellschaft, in der verschiedene Kulturen nebeneinander bestehen. Das Wort Interkulturell beschreibt, was passiert, wenn Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen miteinander leben und sich gegenseitig beeinflussen. Keine Frage, das passiert von allein! Ohne dass wir es merken, und wir es sogar wollen, färben andere Kulturen auf uns ab- aber eigentlich ist es gut so!

Ebenfalls haben wir uns mit dem Thema „Bias – Rassismus“ beschäftigt.

Bias: ist ein unverhältnismäßiges Gewicht zugunsten oder gegen eine Idee oder Sache. Normalerweise auf eine Art und Weise, die verschlossen, nachteilig oder unfair ist.

Mit diesem Thema werden wir uns auch mehr beschäftigen, sowie auch mit dem Begriff, der mir bis heute tatsächlich unbekannt war.

Am Ende des heutigen Tages hat unsere Dozentin uns viele Restaurants und Bars vorgestellt, in denen man Pizza, Pasta, Wein und andere italienische Köstlichkeiten genießen kann.

Eine App, die Paddelt heißt, wurde uns auch vorgestellt. Mit dieser App können wir unsere Fotos, Texte und Berichte miteinander teilen. Diese werde ich auch tatsächlich ausprobieren! Der Tag vergeht wie im Flug und wir sind auch schon mit dem ersten Unterrichtstag fertig. Da wir auch später angefangen haben, ist es auch schon in den frühen Abendstunden, als ich ins Hotel zurückkehre und erstmal einen ruhigen Abend genieße- die ersten drei Tage in Italien waren tatsächlich sehr ereignisreich und ich fühle mich sehr müde.

12.04.2022, Florenz Tag 2

Der zweite Kurstag und mein insgesamt vierter Tag in Italien beginnt mit dem Klang der Wecker und ein ordentliches Frühstück. Ich muss mich allerdings tatsächlich beeilen, weil ich etwas spät dran bin. Es gibt natürlich viel zu sehen, und ich will einerseits nichts verpassen, andererseits auch meinen Kurs so gut es geht absolvieren und jede neue Information mitnehmen, die ich dort erhalten kann. Ich unterrichte noch nicht so lange, somit ist gerade für mich wichtig, Erfahrungen zu sammeln. Und wenn man sich gleich an „zwei Fronten“ bemüht- in einem richtig guten und nützlichen Kurs, und bei dem Kennenlernen eines Landes, nutzt man jede Sekunde und schläft natürlich nicht sehr viel. Alles gut- dafür bin ich ja hier! Ich beende mein Frühstück und fahre mit dem Bus zu der Teacher Academy.

Wir fangen mit einer lockeren Übung über Menschen und ihre Essgewohnheiten an. Die Aufgabe ist einfach: eine Gruppe Kursteilnehmer aus unterschiedlichen Ländern kommt nach Italien und wir müssen ein Dinner für sie organisieren. Ich denke spontan an alle netten Restaurants, die ich gesehen und teilweise besucht habe in den letzten Tagen. Ich mochte bisher alles in Italien. Es fiel mir nicht schwer, etwas für meinen Geschmack zu finden. Aber ist es bei allen Menschen so? Die Kultur und die Herkunft prägen sogar die Essgewohnheiten. Wenn mir ein Teller Pasta reicht, kann vielleicht die nächste Person nichts damit anfangen. Und genau darum geht es- schon bei den einfachsten Dingen die Unterschiede zu erkennen und die Menschen so besser kennen zu lernen. So muss auch ein Dozent anhand der einfachsten Dinge im Unterricht erkennen, welche heterogene Gruppe sich da zusammengestellt hat, und wie man sie fördern und fordern kann.

Und während wir darüber sprechen, gleiten wir automatisch zu der nächsten Folie der Kurspräsentation. Ja, warum ist es eigentlich wichtig, die Diversität im Klassenraum trotzdem zu behalten? Wir versuchen eigentlich aus unterschiedlichen Menschen, die aus den entferntesten Ecken der Welt kommen, eine einheitliche Klasse zu machen. Sollten wir nicht einfach versuchen alle gleich zu behandeln und sie zu einer einheitlichen Gruppe zusammen zu schmelzen? Es wäre doch besser zum Unterrichten! Man erkennt dabei aber, dass das nicht das Ziel des Unterrichtens ist. In meiner Klasse versuche ich, jeder Person, so unterschiedlich sie sein mag, möglichst gut zu helfen in die deutsche Sprache einzusteigen. Ich habe tatsächlich bisher nur nicht alphabetisierte Personen unterrichtet. Sie haben kaum Berührungspunkte zueinander, und es geht nicht darum, welche zu schaffen. Es geht darum sie bei ihrem unterschiedlichsten Sprachniveaus mitzunehmen, zu erkennen an welcher Stufe des Spracherwerbs sie sich befinden und sie von dort aus zu unterstützen, in die Sprache einzutauchen. Ihre Diversität kann man sich dann in sofern für den Unterricht nützlich machen, dass man erkennt, welche Stärken und kulturelle Prägungen sie rein menschlich mitbringen, um ihnen die Dinge besser zu erklären.

Es kostet Zeit, und man braucht spezifisches Wissen dafür- das ich mir hoffentlich auch in diesem Kurs aneignen werde, denn ich merke schon heute am zweiten Tag tatsächlich, dass mir der Kurs viele Gedankenanstöße ermöglicht. Während wir locker über die Kursthemen diskutieren und die Übungen des Kurses erledigen, fallen mir neue und neue Aspekte auf, die ich so davor nie betrachtet habe. Ich gestehe, dass zu Anfang mancher Übungen ich nicht so ganz nachvollziehen konnte, wofür sie nun gut sein werden- aber nach einigen Minuten erkenne ich immer deutlicher, worum es geht. Und vor allem, dass das Unterrichten mit den Menschen und für den Menschen stattfindet! Also muss man den Weg suchen ihnen näher zu kommen, statt zu erwarten, dass sie es selbst tun.

Wir halten uns auch kurz bei dem Thema Rassismus auf, denn auch dieses Thema muss angeschnitten werden. Traurig, dass auch im 21. Jahrhundert wir immer wieder genau hingucken müssen, wann genau Rassismus anfängt und warum Menschen dazu neigen, rassistisch zu werden. Man hat früher nicht offen darüber gesprochen oder so getan, als ob es dieses Thema nicht gibt. Umso wichtiger ist es aber, sich damit zu befassen, um selbst den kleinen Anflug an Rassismus im Klassenzimmer zu erkennen und darauf als Dozent einzuwirken bzw. dem Einhalt zu gebieten. Um Rassismus vorzubeugen, könnte man zum Beispiel die unterschiedlichsten Menschen dazu bringen, miteinander zu arbeiten, damit sie sich besser kennen lernen und näherkommen. Unsere Kursleiterin erklärt, dass wir die Medien nutzen könnten um die erste Barrieren aus dem Weg zu schaffen, indem wir Menschen einfach online zusammenarbeiten lassen können. Sie zeigt uns eine Website, die uns ermöglicht, den Teilnehmern zusammen eine Aufgabe zu erteilen. Jeder kann sich einloggen und seinen Part erledigen, schaut aber auch, was die anderen Teilnehmer vor ihm dort gemacht haben, und ergänzen das. So bekommt man das Gefühl, sie ein wenig schon zu kennen.

Nach der Pause sehen wir auf dem Bildschirm einen großen Eisberg. Viele der Teilnehmer scheinen das schon zu kennen und diskutieren einfach drauf los. Ja, der Mensch ist mehrschichtig und ähnlich wie bei einem Eisberg sehen wir nur die Spitze. Ah, so ist es also gemeint! Ja, es klingt logisch. Man kann nicht mehr als die Oberfläche sehen. Man muss kommunizieren, um tiefer in den Charakter des Menschen einzutauchen. Aber muss man das tun? Muss man wirklich bei jeder Person in der Klasse versuchen, sie besser kennen zu lernen? Nun ja, es geht schließlich hier um effektives Unterrichten. Man kann niemanden effektiv unterrichten, wenn man keinen Zugang zu ihm findet. Also muss man sich eingestehen, dass man sich die Zeit nehmen muss, um einmal „unter dem Wasser“ zu schauen. Zumindest so viel, um zu verstehen, wie jemand im Unterricht vorankommen kann, oder wenn er es nicht tut, aus welchen Gründen das so ist. Der Schlüssel nennt sich Kommunikation. Wir beschäftigen uns mit ihren Formen:

– Passive Kommunikation:

– Aggressive Kommunikation

– Passiv – agressive Kommunikation

– Assertive Kommunikation:

Es ist wichtig zu verstehen, wie die Menschen miteinander kommunizieren und welche Art der Kommunikation sie wählen, um sich mitzuteilen. Wir üben das ein wenig. In zwei Gruppen machen wir Übungen zu diesen Kommunikationsarten und versuchen sie zu verstehen. Dabei achten wir…ja, tatsächlich auf die einfachsten Dinge. Werden wir angeschaut, wenn man mit uns spricht? Wie ist der Unterton? Die Tonlage der Stimme? Was zeigt uns dabei die Körpersprache der Person und ist sie eher introvertiert, oder selbstbewusst?

Die Zeit vergeht sehr schnell an diesem Tag. Die Themen haben nicht nur meinen Wortschatz in Englisch gefordert, sondern auch mich zum Nachdenken an wirklich vielen Stellen gebracht. Ich merke also, dass ich richtig hungrig bin und eile in die Stadt, um etwas zu essen und natürlich auch mir weiter die Stadt anzuschauen. Es gibt viel zu sehen in Florenz! Ich hoffe, dass ich es in der kurzen Zeit hier schaffe die schönsten Sehenswürdigkeiten auch noch zu besichtigen. Es ist schon sehr spät, als ich ins Hotel zurückkehre und so freue ich mich auch auf den nächsten Tag in meinem Kurs!

13.04.2022, Florenz Tag 3

Am dritten Kurstag scheint wieder die Sonne, was für Italien allerdings vollkommen normal ist. Da ich gedanklich das aber mit meinem Alltag in Norddeutschland vergleiche, ist es für mich natürlich bei weitem nicht so selbstverständlich. Ich freue mich auf das gute Wetter hier, ich bin aber auch sehr neugierig auf den Kurs. Also beende ich schnell mein Frühstück und fahre schnell zur Teacher Academy. Heute ist auch eine Erkundungstour geplant, auf diese freue ich mich besonders. Aber zuerst die Arbeit!
Als ich ankomme, sind schon fast alle Teilnehmer da. Unsere Dozentin wartet auf uns mit einer Aufgabe. Es geht um die unterschiedlichen Arten der Intelligenz. Die Aufgabe entpuppt sich als ein Test für Multiple Intelligence. Ich mache gern Tests und Quizze mit mir selbst, also freue ich mich auf diese Aufgabe und bin schon ganz gespannt auf das Ergebnis. Zuerst aber etwas über die Arten der Intelligenz. Man erkennt 8 solche Arten:

1. Verbal/ Linguistic
2. Mathematical/ Logical
3. Musical
4. Visual/ Spacial
5. Kinesthetic
6. Interpersonal
7. Intrapersonal
8. Naturallistic

Die Dozentin erklärt jede Art dieser Intelligenzen mit einigen Worten und mir wird bewusst, wofür die Übung gut ist- es geht um Stärken finden. Wenn man lernt, seine eigenen Stärken zu finden, kann man sie auch bei den anderen Teilnehmern bzw. bei seinen Schülern besser erkennen und sie dann so fördern. Ich mache den Test und bin sehr stolz darauf, dass mir anscheinend gleich mehrere Sachen zum gleichen Teil liegen. Andere dagegen nicht so, aber immerhin! Ich vergleiche meine Ergebnisse mit der Gruppe und sehe, dass wir wirklich sehr unterschiedlich sind, was sich anhand dieses Tests zeigen kann. Das ist aber auch gut so. Grundsätzlich bewundere ich Menschen, die andere Dinge können als ich. Und ich kann mich nützlich machen, indem ich das erkenne und als Teil des Unterrichts im Klassenraum einbaue. Zumal man solche Übungen sogar anhand von Medien oder Internetseiten durchführen kann, so richtig digital. Ich nehme das für mich als Gedanke mit, das kann ich im Kursraum machen, sobald meine Teilnehmer sich etwas besser verständigen können.

Wir reden in dem Kurs noch eine Weile über die Ergebnisse des Tests, über Erkennen von Stärken, das Einordnen von Emotionen und wie wir damit im Unterricht umgehen können. Besonders dann, wenn die Teilnehmer sich noch nicht so richtig mit der Sprache vertraut fühlen. Da helfen Smileys, aber auch das Schaffen von einem Pool an Wörtern zum Thema „Emotionen“. Das muss thematisiert werden und auch in der Klasse muss man offen darüber sprechen, welche Gefühle verschiedene Situationen hervorrufen. Zum Beispiel, wenn sich jemand nicht traut, Deutsch zu sprechen. Viele Menschen haben Angst oder fühlen sich unwohl, eine Sprache zu benutzen. Warum ist das so? Was empfindet jemand, wenn die richtigen Wörter einfach nicht in einem Satz sitzen bleiben wollen und einfach hin und her im Kopf herumtanzen?
Wie kann ich mir dabei selbst helfen? Dabei helfen die multiplen Intelligenzen, man muss nur erkennen wie man sich selbst weiterhelfen kann und worin man selbst gut ist, um das zu kompensieren.

Wir machen weitere Übungen. Für mich ist klar, heute beschäftigen wir uns mit der Tiefe der menschlichen Persönlichkeiten. Wir reden über typische Situationen, bei welchen die Menschen in Schwierigkeiten bei der Kommunikation geraten. Zum Beispiel, wenn man nicht gewohnt ist, sich mit anderen Menschen einfach spontan auszutauschen. Auch das muss geübt werden und man muss manchmal Ängste überwinden, um sich selbst bei der Kommunikation zu helfen. Die Übung ist interessant und die Zeit vergeht sehr schnell. Wir merken außerdem, dass einige Teilnehmer unseres Kurses noch nicht geschafft haben, uns ihre Präsentationen zu zeigen, die wir am ersten Tag vorbereitet haben. Also holen wir das jetzt vor der Mittagspause nach und können Fragen stellen und Bemerkungen abgeben.

Die Mittagspause ist interessant. Wir kennen uns schon alle ein wenig und plaudern etwas lockerer im Flur miteinander. Das macht tatsächlich eine tolle Atmosphäre und ich fühle mich ein wenig wie in der Schule.

Nach der Pause geht’s aber weiter mit dem Kurs und wir beschäftigen uns mit einem Begriff, der mir nichts sagte: Mindfulness.

Man kann sagen, dass das eine Art Selbstfindung ist. Der Begriff beinhaltet Mechanismen, die uns helfen können einfach qualitativ besser zu leben. Es geht um die richtige Wege für sich zu finden, sein Leben so zu gestalten, dass man seine Zeit sinnvoll nutzen kann und sich selbst in gewissen Situationen selbst helfen kann. Wir sprechen darüber, dass es besonders wichtig ist etwas zu finden, was einen beruhigt, wenn man rastlos und unruhig ist oder gerade nicht weiter weiß. Denn nur ausgeglichene Menschen sind lernfähig und auch belastbar genug, um richtig etwas zu lernen und voranzukommen. An sich selbst muss man aber stets arbeiten, und zwar nicht nur an seinem Wissen. Auch an seinen inneren Eigenschaften, die man erkennen und entwickeln muss. Mindfulnes trägt dazu bei einfach das Leben „richtig“ zu leben.
Ich weiß zwar noch nicht, wie ich das unseren Teilnehmern weitergeben kann, aber für mich als Lehrkraft ist das schon wichtig. In der Ruhe liegt die Kraft, sagt man ja bekanntlich. Also ruhig und ausgeglichen bleiben und Wege schaffen, sich selbst auf die wichtigen Dinge im Unterricht zu konzentrieren. Das ist, was ich für mich aus dieser Thema mitnehmen kann und es erscheint mir nicht nur sinnvoll, sondern auch wirklich notwendig. Man kann es nicht glauben, aber manchmal sind die Emotionen in der Klasse schon groß. Meine Teilnehmer können noch nicht lesen und schreiben, viele haben in ihrer Heimat nicht einmal einen Stift benutzt. Das Gefühl, etwas nicht zu können, die Angst ausgelacht oder ausgegrenzt zu werden- das kann schon auch in der Klasse belasten oder sogar zu Schwierigkeiten führen. Darum ist es wichtig, als Lehrkraft eingreifen zu können und dabei ruhig zu bleiben. Und sich selbst dabei gut kontrollieren.

Kontrolle ist der Schwerpunkt auch einer der nächsten Übungen. Wir sollen überlegen, welche Dinge in unserer Macht liegen und welche nicht. Welche Gedanken können wir bändigen, und welche Situationen oder Angelegenheiten im Leben können wir so gar nicht beeinflussen und müssen einen Umgang damit finden? Wir sollen das aufschreiben und versuchen das zu vergleichen. Aber auch überlegen, ob wir etwas davon verändern können oder nicht. Es entsteht dabei eine bunte Diskussion. Hier sind die Meinungen unterschiedlich und es ist sehr interessant für mich. Wir beenden den heutigen Kurstag dann mit dieser Diskussion, denn es ist endlich die Zeit für die geplante Stadttour.

Sie startet pünktlich und ich tauche so richtig in die Atmosphäre der Stadt ein. Man merkt der Stadt ihre lange und üppige Geschichte an. Viele Gebäude sind wie aus einem alten Roman für mich. Ich schaue mir alles genau an und mache viele Fotos. Es gibt viel zu sehen in Florenz, besonders, wenn man sich für Geschichte interessiert. Auch kulturell hat die Stadt viel zu bieten, und – wie hätte es auch anders sein sollen! – kulinarisch natürlich sowieso! Selbstverständlich will ich das auch an diesem Abend in Erfahrung bringen und nehme Platz in einem netten kleinen Restaurant, in dem ich es mir draußen auf der Terrasse des Restaurants gemütlich mache und ein vorzügliches Abendessen in Bella Italia genieße. Es schmeckt aber auch wirklich alles hier!
Der Weg zum Hotel ist dann wie ein netter Spaziergang für mich, und ich freue mich jetzt schon darauf, was der nächste Kurstag für mich bereit hält!

14.04.2022, Florenz Tag 4

Ich bin schon seit 6 Tagen in Italien und seit 4 Tagen in meinem Kurs in Florenz. Es ist eine sehr interessante Erfahrung für mich hier zu sein, aber vor allem ist es ein schönes Gefühl aufzuwachen und direkt die Sonne zu begrüßen. Bei uns in Deutschland haben wir leider nicht immer diese Gelegenheit und schon allein das ist für mich sehr schön. Den Kurs empfinde ich bisher als sehr informativ und nützlich für mich, wenn ich auch manchmal an manchen englischen Begriffen „zu knabbern“ habe. Aber es macht nichts- ich bin schließlich zum Lernen hier, also schreibe ich mir alles Neue akribisch auf.

Mit einem Kaffee in der Hand gehe ich zur Teacher Academy. Unsere Gruppe ist sehr freundlich. Echt schade, dass wir uns nur für eine so kurze Zeit treffen, ich könnte mir vorstellen auch für länger einen Kurs zu buchen und mit denselben Menschen vielleicht einen ganzen Monat zusammen zu arbeiten.

Wir starten in den Arbeitstag mit dem Wort „Competence“. Die Dozentin möchte gern wissen, wie wir dieses Wort verstehen. Ja, sie hat zwei Bedeutungen, aber wie man es merkt, versteckt sich dahinter bei weitem mehr. Wir reden über die verschiedenen Arten von Kompetenzen und wie man überhaupt dazu kommen kann, Kompetenzen zu entwickeln oder welche zu bekommen. In vielen Punkten geht’s da um Sammeln von Erfahrung, was wiederum Menschen kompetent macht und ihnen auch Kompetenzen verleiht. Kompetenzen nutzen und sie im Klassenraum einzusetzen ist sehr wichtig für Lehrkräfte. Aber auch Kompetenzen erkennen und fördern, wenn man sie bei Teilnehmenden entdeckt. Ich höre gern zu diesem Thema zu, für mich ist alles interessant, was erfahrenere Kollegen zu berichten haben.
Und sie haben auch Vieles zu berichten. Ich staune immer wieder darüber, welche unterschiedlichen Erfahrungen beim Unterrichten schon gemacht wurden.

Da jeder seine eigenen Kompetenzen hat, hat auch jeder, der schon länger unterrichtet, seine eigenen Lernmethoden entwickelt. Das ist auch das nächste Thema, zu dem wir wie von allein hinübergleiten.

Wir hatten uns ja die Tage davor mit den multiplen Intelligenzen beschäftigt. Da wir nun wissen, dass jeder Mensch ein unterschiedliches Set von Eigenschaften und Fähigkeiten besitzt, stellen wir fest, dass man dafür auch unterschiedliche Lernmethoden entwickeln muss.
Auch als unterrichtende Lehrkraft muss man sich bemühen, seinen Schülern mehrere Beschulungsarten anzubieten. So beschäftigen wir uns also mit den Lernmethoden und erläutern mehrere solche.

Eine der bekanntesten Methoden ist „The X-based learning aktiv“-Methode. Also das Fokussieren auf ein Thema im Unterricht und das Nutzen von verschiedenen Hilfsmitteln, die immer wieder dieses eine Thema bekräftigen und unterstreichen. Diese Methode ist sowohl für Dozenten als auch für Teilnehmer gut. Zum einen können sich die Teilnehmer alles einfacher merken, wenn sie bei dem Unterricht sich nur auf dem einen Hauptthema konzentrieren brauchen, zum anderen muss man als Dozent nicht mehrere Sachen gleichzeitig erklären und kann nicht vom Thema abschweifen. Es geht schlicht darum, ein einziges Thema mit unterschiedlichen Übungen zu verstärken und sie so für alle verständlich machen.

Mein Kollege aus Tornesch erklärt, dass man oft auch diverse Lernspiele im Unterricht einsetzen kann, da die Kursteilnehmer dadurch schnell lernen und es ihnen auch Spaß macht. So erinnert man sich einfacher an die Dinge, die man gelernt hat. Ja, das haben wir beim unseren letzten Dozentenaustausch in Tornesch auch schon thematisiert. Heutzutage ist es ganz einfach, denn wir können immer wieder neue Medien zu diesem Zweck einbringen. Da, wo man früher nur einen Stift und einen Zettel zur Verfügung hatte (noch früher nicht einmal das!) kann man heute auf moderne Geräte wie iPads und interaktive Screens zugreifen. Damit Spiele zu erstellen oder zu spielen bietet sich geradezu an!
Auch das Angebot an verschiedenen Apps für das Erlernen von Sprachen oder anderen Fächern wird täglich immer größer. Man kann das so zusammenfassen: wer wirklich etwas lernen möchte, hat es heutzutage sehr einfach!

Wir machen eine kurze Pause, danach geht es mit dem Erläutern von den 4 wichtigen Begriffen, die mit dem Buchstaben „C“ beginnen. Es ist einfach zu merken:
1. Collaboration / Zusammenarbeit
2. Communication / Kommunikation
3. Creativity / Kreativität
4. Critical Thinking /kritisches Denken

Es ist eigentlich logisch, warum diese vier Begriffe so wichtig im Unterricht sind. Es gibt keinen Unterricht ohne Zusammenarbeit. Nicht nur die unter den Teilnehmenden, sondern aber auch zwischen den Teilnehmenden und der unterrichtenden Fachkraft. Die Kommunikation ist die einzige Möglichkeit der richtigen Zusammenarbeit, und zwar in jeder Form. Dabei muss man manchmal Kreativität anwenden, um auch zu überlegen auf welche Art man am besten kommunizieren kann. Wie versteht man mich am besten? Wie komme ich am besten an? Verstehen die Teilnehmer das, was ich erkläre, wie ich mir das vorstelle, oder kommt es doch anders rüber? Kommuniziere ich verständlich? Ist meine Körpersprache hilfreich dabei?
Sich selbst zu hinterfragen gehört zu dem kritischen Denken. Dabei muss man mit sich selbst sehr ehrlich sein, denn sonst tut man sich eigentlich auch keinen Gefallen und es bringt auch sonst nichts. Also muss man auch stets an sich selbst arbeiten und diese vier Dinge immer anwenden.
Ich mache mir dazu einige Notizen, denn dieses Prinzip finde ich nicht nur zum Unterrichten gut, sondern auch allgemein für das Leben.

Als ob sie meine Gedanken nur noch mehr vertiefen möchte verteilt uns die Dozentin noch einige Arbeits- und Merkzettel mit wichtigen Begriffen und Erklärungen. Diese sollen wir uns nachher in Ruhe angucken und versuchen, mit ihnen selbstständig zu arbeiten. Es gibt darunter einige Vorschläge zur Projektentwicklung mit Schülern, diese werde ich mir bei der nächsten Kaffeepause oder später im Hotel in Ruhe angucken.

Im Großen und Ganzen geht es aber um Lernen, Lernen, und noch einmal Lernen. Wie kann man das vereinfachen? Wie kann man sich Dinge besser merken? Wie kann man anderen Personen helfen, etwas besser zu verstehen? Welche gemeinsamen Projekte kann man zu Lernzwecken nutzen?

Unsere Dozentin hat tatsächlich auch als Abschluss des Lerntages ein Projekt für uns vorbereitet. Eine Art Spiel, das wir in Gruppen spielen werden. Ich merke, dass ich mich gleich herausgefordert fühle. Ich habe schon in der Schule solche Aufgaben gemocht, und mich immer als Erste für unterschiedliche Aktivitäten gemeldet. Dieses Mal weiß ich aber gar nicht, was auf mich zukommt und halte mich etwas zurück. Ah, es geht um eine Art Wettbewerb. Wir sollen kleine Aufgaben erfüllen und das möglichst schnell. Und wir müssen uns dabei bewegen, und zwar in der Stadt, nicht im Klassenzimmer. Unsere Dozentin hat sich das so überlegt: in Gruppen aufgeteilt und in Teamwork sollen wir durch die Stadt gehen und unterschiedliche Objekte suchen. Ja, dafür eignet sich Florenz wohl sehr gut- hier gibt es so viele wichtige und bedeutende künstlerische und geschichtliche Werke und Objekte aus der Antike und von heute, dass man so eine aktive Aufgabe sehr gut vorbereiten kann. Wenn wir die Objekte auf unserer Liste gefunden haben, gibt es etwas zu erledigen zu jedem davon. Wer zuerst fertig wird, gewinnt!

Unsere Gruppe besteht aus drei Personen und zum Glück sind wir beide „Tornescher“, mein Kollege Eman und ich, zusammen in einer Gruppe. Dazu gesellt sich Ilias. Er ist sehr nett und passt gut zu uns. Und er ist auch sehr kreativ, das ist uns schon früher aufgefallen. Zusammen mit ihm suchen wir die Objekte auf unserer Liste. Wir haben bekommen:

1. Das Porträt von Michelangelo finden.
2. Eine bestimmte Figur in Loggia di Lanzi finden.
3. Street Art- Video produzieren.
4. Street Music -Video produzieren.
5. Fontana der Porcellino.

Die Objekte sind nicht sehr weit auseinander, aber man muss schon ein wenig suchen. Die Aufgaben zu den Objekten sind zwar klar und einfach, man muss aber überlegen wie genau man sie verwirklichen muss. Wir reden die ganze Zeit und tauschen Ideen aus. Und rennen natürlich durch die Stadt unter höchstem Zeitdruck, denn auch Eman und Ilias möchten gern, dass wir Erste werden. Dabei haben wir wirklich Spaß wie Kinder an diesem sonnigen Tag- als hätte man echt nichts Besseres machen können, als an diesem Donnerstagnachmittag einfach um die Wette zu laufen und dabei mit der Stadt Florenz und ihren Sehenswürdigkeiten „Verstecken und Entdecken spielen“. Hochmotiviert beenden wir auch die letzte Aufgabe und beenden unsere Mission tatsächlich sogar als Sieger! Einen Preis gab es nicht. Aber ich habe mich nachher selbst mit einem großen Zitroneneis belohnt!

Ich muss zugeben, ich wäre so nicht auf die Idee gekommen eine solche Aufgabe meiner Klasse zu geben. Das Wort „lernen“ assoziiert man an erster Stelle mit Büchern, Stifte, Lehrertafel, Schule. Die letzte Aufgabe war ein Beweis dafür, dass es auch ganz anders geht. Man kann auch durch Spielen, Bewegen und Spaß haben etwas lernen. Nicht nur über das Fach, sondern auch über die Menschen, mit denen man lernt oder arbeitet. Und eine der wichtigsten Formen des Lernens ist das Lernen über sich selbst. Die Entwicklung der eigenen Eigenschaften und Persönlichkeit, nicht nur der fachlichen Kenntnisse. Die notwendigen Erfahrungen über sich selbst zu sammeln bringt ganz andere Möglichkeiten mit sich. Ich bin sehr froh, dass ich diesen Kurs mitmache, denn so viel hatte ich mich damit bisher nicht befasst und es war mir nicht bewusst, wieviel „Selbstentwicklung“ man immer wieder in seinem Alltag brauchen wird. Ich lerne hier nicht nur, wie ich besser unterrichten kann, ich lerne auch, wie ich mich selbst besser unterrichten kann. Und letztendlich, wer ich bin und was ich kann oder erreichen kann. Und zwar während mir der Alltag sogar richtig Spaß macht. Das ist für mich die wichtigste Erkenntnis dieses Tages.

15.04.2022, Florenz Tag 5

Und schon ist der letzte Tag unseres Seminars da!

Nach dem Frühstück fahre ich wie jeden Morgen mit dem Bus 23 Richtung Teacher Academy. Die Gruppe ist komplett, als ich reingehe und es geht auch zügig mit dem Unterricht weiter. Unsere Dozentin erzählt uns ein paar kurze Eindrücke aus unserer Gruppe, die sie selbst in der vergangenen Woche gesammelt hat. Es ist schön ein positives Feedback zu bekommen. Auch wir sind von dem Kurs total begeistert, alle sind der Meinung, wir hätten locker noch länger das Seminar machen können.
Wir bekommen auch ein kleines „Geschenk“ von der Teacher Academy. Einen einmaligen Gutschein, mit dem wir an einem Online-Kurs unserer Wahl teilnehmen können. Wie nett! Selbstverständlich werde ich das Angebot entgegennehmen und sobald ich zu Hause bin, mir einen passenden Kurs aussuchen.

Weiter geht es mit einigen Präsentationen, die Kursteilnehmer vorbereitet haben. Die Themen sind unterschiedlich und immer global wichtig. Ein Thema war zum Beispiel der Klimawandel und die Auswirkungen des Klimawandels, sowie auch die Möglichkeiten, dem entgegen zu wirken.

Ein anderes Thema handelt von der Vorbereitung der Migranten für den Arbeitsmarkt sowie unterschiedliche Mechanismen zum Erlernen der Sprache in einem fremden Land. Viele Migranten sind sich nicht bewusst, dass es nicht ausreicht eine Sprache lediglich im Alltag zu sprechen, um auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein. Man muss auch Schreiben können und auch die Sprache grammatikalisch korrekt anwenden. Das wird oft unterschätzt, auch wir haben die Erfahrungen gemacht, dass viele Teilnehmer der Deutschkurse den Kurs abbrechen, sobald sie einen Job finden, bevor sie das Zertifikat bekommen und richtig sprechen können. Selbstverständlich erscheint ihnen zuerst das Verdienen von eigenem Geld wichtiger und ist auch lobenswert. Aber kaum in dem beruflichen Leben angekommen, stoßen sie auf die sprachlichen Schwierigkeiten und nur wenige Monaten später stehen sie wieder bei uns in der VHS und brauchen dringend einen Kurs. Wir Dozenten müssen die Teilnehmer über diese Schwierigkeiten aufklären und auch die Menschen darauf vorbereiten, dass auf dem Arbeitsmarkt nur derjenige konkurrenzfähig ist und eine Chance hat, der auch gute Deutschkenntnisse mit einem Zertifikat anbieten kann.

Dieses Thema interessiert mehrere Kursteilnehmer unseres Kurses und wir tauschen uns etwas länger darüber aus. Jeder trägt mit seiner Erfahrung dazu bei und es entsteht eine nette Diskussionsrunde. Daraus ergibt sich die Frage, ob es hilfreich ist oder eher ein Problem, wenn die Teilnehmer in einem Deutschkurs in ihrer Muttersprache im Kurs sprechen können.

Für mich persönlich ist es oft von Vorteil, wenn man die Dinge im Kurs auch auf der Muttersprache erklären kann. Ich unterrichte Personen, die eine Alphabetisierung brauchen. Viele von ihnen sind auch nicht einmal in ihrer Heimat zur Schule gegangen und brauchen Zeit um sich überhaupt daran zu gewöhnen, etwas bewusst zu lernen. Einige davon haben sogar Schwierigkeiten, mit einem Stift in der Hand im Unterricht mitzumachen.
Das können wir uns vielleicht so nicht vorstellen, aber es ist tatsächlich so. Dass man da auf die Muttersprache zurückgreifen kann, um etwas zu erklären, ist sehr wichtig für unsere Gruppe.
Die Teilnehmer sind meistens froh und dankbar darüber, wenn man ihnen kurz etwas auf ihrer Sprache erklären kann, auch wenn der Unterricht sonst auf Deutsch stattfindet.
Wenn man wirklich alles neu erlernen muss und jemand nur in einer fremden Sprache spricht und erklärt, das schüchtert die unerfahrenen Menschen ein und sie verlieren manchmal die Motivation, dass sie in der Lage sind, etwas zu erlernen. Das darf man nicht aus den Augen lassen. Es ist also aus meiner Sicht eher vorteilhaft, wenn man im Unterricht die Muttersprache der Kursteilnehmer spricht.
Selbstverständlich soll man aber auch nicht nur noch die Muttersprache verwenden, denn die Teilnehmer müssen sich an den Klang der neuen Sprache gewöhnen, die Begriffe müssen gelernt werden. Es ist sinnvoll, jeden Tag immer weniger die Muttersprache zu verwenden und sie nur bei Bedarf anzuwenden.

Ja, im Großen und Ganzen stellen wir auch fest, dass das Lernen einer fremden Sprache in einem neuen Land viele Schwierigkeiten mit sich bringt. Auch die Bürokratie eines Landes ist für die Migranten oft ein dunkler Wald ohne Lichtung. Wir unterhalten uns weiter darüber, welche Möglichkeiten für die Unterstützung von Migranten es in unseren Ländern gibt. Ich kann nur von unserer Stadt berichten, die -wie ich finde- sehr gut aufgestellt ist, was die Hilfe für die Migranten angeht. Es gibt aber allgemein in vielen Sozialämtern der Städte oder auch bei dem Bürgerbüro auch extra Migrationsbeauftragte oder Flüchtlingskoordinatoren. Sie kümmern sich genau um solche Probleme und stehen auch den Migranten zu unterschiedlichen Fragen zur Verfügung. Es gibt aber auch viele freiwillige Helfer, die ehrenamtlich einige Migranten betreuen und ihnen aushelfen, wenn sie nicht weiterwissen. Darüber hinaus gibt es auch Organisationen und Institutionen, die sich damit beschäftigen. Es ist auch wichtig für das ganze System eines Landes, dass auch diese Aufgaben abgedeckt sind. Die Welt ist grundsätzlich im Wandel und fast jedes Land hat inzwischen Migranten oder Flüchtlinge, die einen gar nicht mal so kleinen Teil der Gesellschaft darstellen. Dass sie extra eine Unterstützung brauchen, damit alles funktioniert, ist für alle gut, auch für die gebürtigen Bürger eines Landes. Dessen muss man sich bewusst werden.

Unser Unterricht geht weiter mit einem Film. Er zeigt die Geschichte eines jungen Mannes, der in einem fremden Land allein zurechtkommen muss. Er hat Schwierigkeiten, sich in dem neuen Land einzuleben, besteht manche Prüfungen in der Schule nicht, weil er die Sprache nicht kann, fühlt sich an vielen Stellen im Film irgendwie verloren. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, wie wichtig es ist, sich in einem neuen Land zu integrieren, die Sprache zu erwerben, aber auch sich Hilfe zu holen und keinen falschen Stolz zu zeigen. Wir diskutieren noch eine Weile über den Film, danach folgt auch die große Pause.

Ich genieße ein Stück Pizza und denke über den Kurs nach. Ich fühle mich wohl in Italien und finde es sehr schade, dass dieses Seminar schon bald zu Ende ist. Etwas traurig kehre ich zum Unterricht zurück.

Da beschäftigen wir uns mit Problemlösungen und die Arten von Problemlösungen. Wir alle haben uns im Laufe der Zeit von allein eine Art angeeignet, wie wir am besten mit Problemen umgehen. Der Umgang hängt von unserem Charakter, von den Eigenschaften und von den Erfahrungen ab, die wir im Laufe unseres Lebens gemacht haben. Wie man Probleme löst und bewältigt kann vieles über die eigene Persönlichkeit verraten. Es gibt Menschen, die Probleme verdrängen. Das ist leider nicht sehr produktiv, da sich die Probleme nur selten von allein lösen. Dennoch haben einige Personen die Erfahrung gemacht, dass die Zeit dann auch ein Problem von allein lösen kann und verlassen sich darauf. Leider hat man dann den Nachteil, dass man sein Leben nicht aktiv mitgestaltet, und so eine Problemlösung nicht immer zu unseren Gunsten verlaufen kann.

Dann gibt es Menschen, die sehr kreativ sind. Sie überlegen sich immer etwas Neues, versuchen mehrere Lösungen zu bekommen, und selbst wenn sie eine Lösung gefunden haben, denken sie weiter ob man vielleicht doch noch etwas machen kann.

Manche Menschen sehen einfach nur die Fakten, und konzentrieren sich nur auf sie, ganz sachlich. Sie gehen auch genauso sachlich an die Probleme heran, ohne eigene Emotionen dazu zuzulassen.

Die umgekehrte Variante ist, dass man sich von den Gefühlen, die man bei einem Problem empfindet, leiten lässt und eine Lösung sucht, mit welcher man selbst „gut leben“ kann.

Es gibt noch zwei weitere Arten von Lösungstypen: derjenige, der sich auf die Vorteile in einer Problemsituation konzentriert und mit den Vorteilen vor den Augen nach einer Lösung sucht, und derjenige, der die Nachteile seiner Situation erkennt und versucht dagegen etwas zu unternehmen.

Diese Arten von Lösungstypen prägen uns auf unterschiedliche Arten und wir versuchen immer uns damit zurecht zu finden. Es ist ein interessantes Thema, ich hatte mich davor nie damit beschäftigt, wie ich Probleme löse. Ich werde mir das genau überlegen und beobachten, wie ich in verschiedenen Situationen reagiere. Auch wenn ich der Meinung bin, dass jedes Problem eine andere Art von Lösung und eine andere Art von Vorgehensweise braucht und man das nicht so allgemein sagen kann.

Die Zeit ist auch mit diesem sehr anregenden Thema schnell um und wir bekommen unsere Zertifikate. Ich bin schon ein wenig stolz auf mich, wenn ich das Zertifikat in meiner Hand halte. Ich hatte noch nie ein Seminar in einem fremden Land auf einer anderen Sprache absolviert und hatte wirklich manchmal Bedenken, wie ich das schaffen werde. Ich wollte diese Erfahrung aber unbedingt machen und bin sehr froh darüber, dass ich mir das zugetraut habe. An erster Stelle – es hat funktioniert! Ich hatte keine erheblichen Schwierigkeiten, den Kurs mitzumachen, und trotz der manchmal anspruchsvollen Wortbegriffe, die wir gebraucht haben, konnte ich mich verständigen und meine Meinungen verständlich äußern. Dann habe ich wirklich so viel Input bekommen, nicht nur für das Unterrichten, aber auch für mich selbst als Person. Das Entdecken eines neuen Landes hat mir zusätzlich viel Freude bereitet. Ich habe so viel gesehen und nehme wundervolle Eindrücke mit nach Hause!

Wien: Diversity with a focus on gender and culture

von Inga Feldmann

Sonntag, 17. April 2022, Kiel

Am Ostersonntag stand ich gut gelaunt am Kieler Bahnhof um nachhaltig nach Wien zu reisen.

Doch schon kurz vor Neumünster endete mein Traum. Der Zug hatte in Wagen 1 eine defekte Tür, die uns immer wieder außerplanmäßig anhalten ließ. Als wir Hamburg erreichten, war klar, dass mein Zug nach Wien leider nicht warten konnte und es auch keine Möglichkeit mehr gab, Wien innerhalb eines Tages zu erreichen. Ich stieg in die U- und S-Bahn zum Airport Hamburg und merkte, wie meine Komfortzone schrumpfte… Ich schaffte es so tatsächlich doch noch mit dem Flieger nach Wien!

Montag, 18. April 2022, Wien
Sachertorte zum Frühstück!

Ich laufe zu Fuß an dem sehr ruhigen Ostermontag Morgen über das Universitätsgelände zu unserem Seminarort und treffe dort auf 7 Teilnehmende aus Litauen, 2 Portugiesinnen und eine Spanierin.

Die Kommunikation ist eingeschränkt, da nur 4 von den Teilnehmenden Englisch beherrschen- aber dank einer App wird alles einigermaßen übersetzt. Das Seminarthema wurde kurzerhand um das Thema Mindfulness erweitert, da sonst die beiden Portugiesinnen keine Gruppe gehabt hätten. Auch interessant! Wir machen Kennenlernspiele, gestalten Plakate und kommen ins Gespräch miteinander.

Die Leiterinnen versprechen uns eine Reise in dieser Woche -zu uns selbst und zur Entschleunigung.

Anhand des Modells der Komfortzone / Lernzone / Panikzone erklären Sie, wie wichtig es ist für uns und unsere Schüler*innen regelmäßig die Komfortzone zu verlassen, damit alle weiter lernen.

Auch der Kolb Lernzyklus wird erläutert, der Kreislauf in dem vier Schritte, Konkrete Erfahrung (1), Beobachtung und Reflexion (2), Abstrakte Begriffsbildung (3) und Aktives Experimentieren (4), verbunden werden. Anschließend geht es um das Thema Präsenz und die Frage, wie wir wieder so wie Kinder mit einer freundlichen Neugierde auf die Welt schauen könnten und mehr mit der Aufmerksamkeit im Jetzt sein können. Anhand eines einfachen Modells wird erklärt, wie unser Gehirn funktioniert.

Anhand der Compassion Focused Therapy (CFT), von Prof. Paul Gilbert in England entwickelt, wird uns ein Modell erläutert, wie wir funktionieren. Wir leben ganz oft im Bedrohungssystem, haben Ärger, Angst, Stress- es geht darum, Bedrohungen zu erkennen und abzuwehren, der Körper reagiert mit Adrenalin und Kortisol. Ein weiteres System in dem wir leben ist das Anreizsystem, wir wollen etwas erreichen, besonders gut sein, sind zielstrebig, Dopamin wird ausgestoßen. Die meisten von uns haben jedoch ein unterentwickeltes Fürsorgesystem, in diesem geht es um Zufriedenheit, Schutz, Vertrauen, Zuwendung, Sicherheit- Dinge tun, die gut für uns sind. Es geht darum, Scham und Selbstkritik zu lindern und Mitgefühl für sich selbst und andere hervorzubringen. Dieses ist eine wichtige Basis, um Vielfalt zulassen zu können.

Es geht darum, weniger zu verurteilen und sich zu öffnen. Wir sammeln alle Begriffe, die uns zum Thema Diversity einfallen.

Irene Rojnik fasst diese erläuternd noch einmal zusammen. Und ich fahre mit der U Bahn zum Stephansdom und lausche der Orgel und lasse mich durch die Stadt treiben und nehme die Vielfalt der Menschen wahr.

Dienstag, 19. April 2022, Wien

Heute Morgen ist Wien laut- die Feiertage sind vorbei, die Stadt pulsiert wieder.

Im Seminar soll es um persönliche Werte, die Werte der Organisation, Annahmen und die nicht wertende Beobachtung der Umgebung gehen.

Zunächst sollen wir uns vorstellen, wir wären ein Baum – mir fällt gleich eine Eiche ein – stark, groß, mit vielen Ästen und Futter für Tiere im Herbst. Tja, das hat natürlich eine Bedeutung: die Eigenschaften des Baumes sind Werte, die wir eventuell haben.

Wir sammeln individuell die Top 10 unserer Werte. Es wird anschließend analysiert, dass einige Werte eher Ziele sind, beispielsweise Erfolg und andere Werte eher Bedürfnisse, die für alle Menschen fundamental sind, wie z.B. Sicherheit. Wir sollen uns unser Leben rückblickend vorstellen und überlegen, welche Werte wirklich wichtig für uns waren. Die Frage, ob es Momente in unserem Leben gab, in denen wir nicht im Einklang mit unseren Werten leben konnten, berührt viele Teilnehmende. Man soll sich überlegen, welche äußeren Hindernisse es gab und welche inneren, die einen daran gehindert haben.

Es gibt wieder den Aufruf, freundlich zu sich zu sein und zu trainieren, sich gutes zu tun.

Nun geht es um die Werte der Organisation. 4 Teilnehmende sollen gemeinsam die 9 wichtigsten Werte festlegen, dies ist nicht so einfach, da die Organisationen sehr unterschiedlich sind und auch die Verständigung auf Englisch schwierig ist. Wir versuchen es und erzählen uns auch Geschichten, wie diese Werte in unserer Organisation gelebt werden. In Litauen gibt es beispielsweise eine Woche gegen Mobbing und für Toleranz.

Am Nachmittag geht es um Annahmen. Das Modell: „Ich sehe, ich denke, ich frage mich“ wird vorgestellt. In der Regel sehen wir und aufgrund unserer Erfahrungen interpretieren wir schnell und sind nicht wirklich im Jetzt. Wir üben unsere Wahrnehmung, indem wir verschiedene Orte aufsuchen. Ich gehe mit Monika zum Hof der Universität. Dort sehen wir viele Büsten von Männern und eine von einer Frau. Wir sollen üben, uns neugierig Fragen zu stellen- beispielsweise: was hat die eine Frau geleistet, die in der Galerie der Männer steht?

Nach dem Seminar genehmige ich mir im Caféhaus eine Melange und eine Cremeschnitte und – da es regnet und kalt ist – verziehe ich mich ins Kino und sehe den Film „Parallele Mütter“ von Pedro Almodovar.

Mittwoch, 20. April 2022, Wien

Heute startet unser Seminar an einem neuen Ort mit dem Thema Gender.

Zunächst werden die Begriffe Sex und Gender geklärt: Sex bezieht sich auf das biologische Geschlecht, welches man von außen sieht. Die äußerlichen Merkmale, die nur durch eine Operation zu verändern sind.

Der Begriff Gender dagegen beinhaltet das soziale Geschlecht, was uns anerzogen wurde- dieses ist veränderbar.

Gender Mainstreaming meint in dem Zusammenhang, dieses Thema in die Organisation einzubringen auf allen Ebenen. Gender sensible Pädagogik kann auch beinhalten, Mädchen positiv zu diskriminieren, in dem sie in bestimmten Bereichen besonders gefördert werden.

Frauen tendieren dazu, die Führungspositionen Männern zu überlassen. Daher sollten sie schon als Kind ermutigt werden, ihre Stärke zu erleben.

Bezogen auf meine vhs überlege ich, inwiefern sich alle angesprochen fühlen. Dies ist ausbaufähig, die Hauptgruppe der Teilnehmenden ist weiß, weiblich, deutsch und 50+

Wir sammeln Eigenschaften die wir Männern/ Frauen zuschreiben – die Sammlung gerät dann doch sehr stereotyp: die Männer sind stark, mutig, die Frauen sozial und schwach. Die Kursleitung stellt dies zum Glück in Frage. Anschließend beantworten wir sehr persönliche Fragen, um unserer Sozialisation auf die Schliche zu kommen.

Womit habe ich als Kind gespielt? Was hat meine Mutter gemacht, als ich Kind war? Was hat mein Vater gemacht? Warum bin ich gerne eine Frau? Was mag ich nicht daran? Welchen Einfluss hat Dein soziales Geschlecht auf Deine Karriere? Welches Gender Stereotyp würdest Du gerne ändern?

Wir würden gerne alle Stereotypen ändern, beschließt unsere Kleingruppe.

Die Gender Herausforderungen unserer Zeit sind unter anderen:

  • Die unterschiedliche Bezahlung (pay gap)
  • Geschlechtsspezifische Berufe
  • Rollenverteilung in der Familie
  • Elternzeit
  • Altersarmut von Frauen
  • Scheidung/ Alleinerziehende
  • Gewalt gegen Frauen
  • Führung

Wir diskutieren die Möglichkeiten, Männer den sozialen Bereich näher zu bringen – in Österreich gibt es noch die Wehrpflicht oder die Pflicht, einen sozialen Dienst zu absolvieren.

Die Sprachbarriere war heute besonders hoch, da die Sprach-App aufgrund des schwachen Internets nicht funktionierte. Am Nachmittag hatten wir frei – ich nutzte die Gelegenheit, eine 3-stündige Fahrradtour durch Wien zu machen und in der Orangerie einem Konzert zu lauschen – nachdem ich ein wunderbares Wiener Schnitzel gegessen hatte. In der Stadt hängen viele Fahnen zur Solidarität mit der Ukraine und auch bei uns im Kurs ist der Krieg immer wieder Thema; insbesondere die Litauer haben große Angst vor Putins Unberechenbarkeit.

Donnerstag, 21. April 2022, Wien

Heute begann der Tag sonnig, nach einem kurzen Frühstück mit Grazinna aus Litauen starten wir das Seminar heute mit dem Thema Theater der Unterdrückten von Augusto Boal.

Diese Methode wurde in den 1970er Jahren in Brasilien entwickelt, es ging darum, den Menschen eine Stimme zu geben, nachdem dieses viele Jahre unterdrückt worden waren.

Es gab verstecktes Theater auf der Straße, beispielsweise einen Kampf in der Metro, um zu sehen, wie reagieren die Menschen darum herum? In improvisierten Theaterszenen kann ausprobiert werden, einzelne Personen der Szene auszutauschen um zu sehen, wie die Situation dadurch verändert werden kann.

Im Forum Theater gibt es immer ein Opfer und einen Aggressor sowie das Publikum. Die Rollen, die getauscht werden, sind immer die Publikumsrollen.

Wir machen verschieden Aufwärmübungen um uns auf das Spiel vorzubereiten. Führen und Folgen wird geübt und wir bilden Denkmäler zu bestimmten Themen.

Am Nachmittag wird anhand von verschiedenen Konfliktsituationen im Rollenspiel die Methode geübt.

Am Abend bin ich mit Ulrich Chmel, einem Papiertheaterspieler aus Wien in seinem Atelier verabredet.

Er war bereits in Preetz beim Preetzer Papiertheatertreffen mit seiner Bühne und zeigt mir seine neuesten Produktionen.

Anschließend serviert er mir und seiner Frau ein 3 Gänge Menü und gibt mir Wien Tipps!

Und hier noch ein musikalischer Eindruck vom Konzert gestern Abend:

Freitag, 22. April 2022, Wien

Das heutige Seminarthema ist Kommunikation und so beginnt der Tag mit Otto Scharmer und der Theory U. Wir üben ganz praktisch, wirklich zuzuhören ohne nachzufragen. Eine Person spricht 2 Minuten lang, die Zuhörenden versuchen nicht an eigene Geschichten zu denken, nicht zu kommentieren- auch nicht in Gedanken. Anschließend sollen wir eine positive Diversity Erfahrung berichten. Ich berichte von meiner Reise durch Südafrika 1989, bei der ich eine Lehrerin aus Soweto kennengelernt habe. Die zuhörende Person soll hören- mit allen Sinnen. Wir stellen fest, wie wichtig es ist, sich Zeit zum Ankommen zu nehmen, wenn man in wirkliche Kommunikation eintreten möchte.

Die Trainerin erklärt 3 Begriffe von Stimmen in uns, die uns boykottieren:

Die Stimme des Urteilens-

Ich weiß schon, was die Person erzählen wird

Die Stimme des Zynismus-

Ich nehme Dir die Geschichte nicht ab, ich möchte Deine Geschichte nicht hören.

Die Stimme der Angst-

Ich habe Angst, meinen Status/ mein Image zu verlieren, wenn ich beispielsweise weine.

Es ist wichtig, offen zu sein, neugierig, ein offenes, von Mitgefühl durchdrungenes Herz zu haben und mutig zu sein.

Wir schließen das Seminar mit Rückmeldungen und der Zertifikatsübergabe ab und verabschieden uns sehr herzlich mit dem Versprechen, uns gegenseitig zu besuchen.

Ich gehe mit Mireia und Tanja und Sonja in ein Kaffeehaus und genieße eine Melange, bevor es in den Nachtzug nach Hamburg geht.

Malta: Diversity in Education. Developing intercultural and communications skills

Von R.S.

Sonntag, den 12.07.2020, Anreise

Reisen ist wundervoll…und manchmal nichts für Menschen mit schwachen Nerven! Als Bestätigung dieser These startet meine Reise nach Malta sehr kurios.

Ich habe mich für den Kurs „Diversity in Education. Developing intercultural and communications skills“ bei ETI Malta angemeldet und er sollte am Montag, den 13.07.2020 beginnen. Ich hatte für den Sonntag davor einen Flug von Hamburg nach Malta gebucht, und in den Monaten der COVID-Pandemie fast täglich gebangt und überlegt, ob alles wie geplant stattfinden kann. Anfang Juli wurden die Reisewarnungen für die EU-Länder aufgehoben, die Maßnahmen für die Eindämmung der Pandemie lockerten sich. Als mir ETI Malta die Veranstaltung endgültig bestätigte, war die Vorfreude groß!

Nun saß ich also am Samstag, den 11. Juli, einen Tag vor dem Abflug, an meinem Laptop und wollte nur noch das Check-in erledigen:  alle Unterlagen sind sorgfältig in der Tasche einsortiert, der gepackte Koffer steht im Flur. Plötzlich leuchtet der Bildschirm rot auf – der Flug ist storniert worden! Ich kann es nicht fassen, denn ich habe keinerlei Informationen darüber bekommen – weder von dem Ticket-Anbieter, noch von der Fluggesellschaft. Und jetzt? Mir wird klar, dass ich absolut keine Zeit habe mich aufzuregen und verschiebe das für später, denn jetzt brauche ich zuerst eine Lösung.

Und ich muss eine Entscheidung treffen. Alle anderen Gedanken, etwa an Kostenerstattungen, schriftliche Beschwerden oder plausible Erklärungen für die fehlenden Informationen über den stornierten Flug sind ganz weit nach hinten in meinem Kopf verstaut und warten auf ihre Zeit.

So viele Monate voller Unsicherheit, dann endlich läuft alles einigermaßen normal, und nun soll das Ganze an dem stornierten Flug scheitern? Ich möchte nichts unversucht lassen und stöbere durch das Internet nach einer Alternative. Dann finde ich sie! Es gibt ebenfalls am Sonntagabend einen direkten Flug von Berlin nach Malta, der mir glücklicherweise in jeder Hinsicht passt. Ich wäre allerdings sehr spät da, und am Montagmorgen soll mein Kurs starten- aber das ist okay für mich.

Ich kontrolliere mehrfach – ja, der Flug wird als planmäßig und pünktlich angezeigt. Ich buche also schnell einen neuen Hin – und Rückflug und mache mich am nächsten Tag rechtzeitig auf den Weg nach Berlin. Am Flughafen Berlin-Tegel ist alles wie immer. Selbstverständlich gibt es wegen der COVID-Pandemie Maskenpflicht und Distanzregelung, aber sonst geht alles relativ zügig. Ab ins Flugzeug.

Nach einem sehr schönen und harmonischen Flug lande ich um 23.40 Uhr planmäßig in Malta. Von nun an geht’s Ruck-Zuck: mein Gepäck ist als erstes bei der Gepäckausgabe verfügbar, mein Fahrer wartet direkt am Ausgang, die Fahrt bis zum Hotel dauert 10 Minuten, das Einchecken ist problemlos – und endlich bin ich in meinem Hotelzimmer. Erst beim Einschlafen fällt mir ein, dass ich meine Mobilität um ein Haar verpasst hätte. Tja, nun! – sagen wir in Norddeutschland…nun bin ich aber da!

 

Montag, den 13.07.2020, 1. Tag

Ich bin schon um 6 Uhr hellwach. Mein Hotelzimmer ist gemütlich und ich fühle mich nach den Strapazen des turbulenten Wochenendes gut ausgeruht. Das Frühstück im Hotel wird am Tisch serviert, man wählt vorab seine Speisen und sie werden immer wieder vom Personal nachgereicht. Alle Hotelmitarbeiter tragen Masken, bei den Gästen wird dies etwas lockerer gesehen.

Und letztendlich ist das Frühstücken mit einer Maske im Gesicht nicht gerade sättigend! Ich mache mich nach dem Frühstück auf den Weg zu dem nahe gelegenen felsigen Strand- ich kenne ihn vom letzten Jahr, denn ich hatte bereits im Jahr 2019 im Rahmen eines Erasmus-Plus -Projekts einen wunderbaren Kurs über Digitalisierung bei ETI-Malta besucht. Die Insel wirkt auf mich in diesem Jahr allerdings leerer und ruhiger.

Die Corona-Pandemie hat auch hier ihre Spuren hinterlassen, und man merkt, dass der Tourismus gerade erst wieder zum Leben erwacht. Das empfinde ich aber als wirklich angenehm, denn die Insel ist nicht nur weniger überfüllt, sie ist auch deutlich sauberer und leiser. Ich bin um 8.30 Uhr schon in dem ESE-Gebäude, in dem mein Kurs stattfinden wird- mein Hotel ist gleich drei Eingänge weiter und das ist sehr entspannt, so brauche ich mich überhaupt nicht zu beeilen.

An der Tür bei ETI-Malta empfängt mich eine sehr freundliche Dame, die direkt am Eingang meine Körpertemperatur per Infrarot- Thermometer checkt. Das Gerät piept zustimmend, ich darf passieren! Es ist jetzt schon 26 Grad und ich setze mich auf der Terrasse, während ich darauf warte, dass man mich für den Kursbeginn aufruft.

Die Direktorin Sandra Montalto ist pünktlich um 9 Uhr da und teilt uns auf.  Die Gruppen sind klein, bei zwei der Seminare ist sogar nur jeweils eine Person angemeldet! Gedanklich vergleiche ich es mit dem Ansturm vom letzten Jahr- damals gab es allein zu meinem Kursthema drei parallellaufende Kurse, mit einer Teilnehmeranzahl von jeweils 13 bis 15 Personen. An dieser Stelle muss ich bemerken, dass ETI-Malta anscheinend keine Kurse wegen geringer Teilnehmeranzahl absagt. Respekt! Das machen wir in Deutschland oft anders.

Ich werde ganz zum Schluss zusammen mit einer anderen Teilnehmerin zu der Dozentin Judie Ibottsen eingeteilt. Ja, wir sind auch nur zu zweit! Meine Mitstreiterin entpuppt sich als Englisch-Dozentin an einer bayerischen Volkshochschule, sie arbeitet aber auch im Kindergarten. Ihr Name ist Tanja, sie ist sehr aufgeschlossen und scheint sich ebenfalls richtig auf den Kurs zu freuen. Die Vorstellungsrunde ist kreativ.

Judie hat ihren Namen in der Mitte der Tafel aufgeschrieben und hat einige Denkblasen um den Namen herum positioniert. Wir sollen erraten, in welchem Zusammenhang die dort aufgezählten Begriffe, Namen und Zahlen zu ihr stehen. So erfahren wir mehr über sie und die Stimmung ist gleichzeitig witzig und locker geworden. Judie ist eine gebürtige Britin. Wir erfahren, dass sie zwei erwachsene Kinder und auch zwei Hunde hat, seit 2003 sich dem Unterrichten endgültig gewidmet hat, obwohl sie jahrelang in einer Bank gearbeitet hatte, und sehr gern die belgischen Pralinen Leonidas mag. (Dass es eine Sorte Schokolade geben soll, die ich nicht kenne ist aber auch eine Überraschung! 😊)

Tanja und ich versuchen auch, uns auf dieser Art und Weise vorzustellen, in dem wir gegenseitig versuchen, etwas über die andere Person zu erraten. So eingeleitet springen wichtigen Themen von allein in den Vordergrund: familiäre Verhältnisse, Ethnizität, Werte, Rituale und Glauben, regionale Besonderheiten. Tanja und ich haben vollkommen unterschiedliche persönliche Hintergründe, dennoch sind wir uns in sehr vielen Dinge ähnlich, zum Beispiel die Denkweise und das innere Wertesystem.  Wir leben beide in Deutschland und sind beide durch dieses Land geprägt, dennoch bin ich in einem anderen Land aufgewachsen und selbst unsere Wohngebiete in Deutschland könnten kaum unterschiedlicher sein.

Viele individuelle persönliche Prägungen sind an der Oberfläche nicht zu erkennen, spielen jedoch eine große Rolle in jedem Lebensbereich. Wer mit Menschen arbeitet, muss das unbedingt wissen und richtig einschätzen und einordnen lernen. Judie vergleicht die menschlichen Eigenschaften einer Person mit einem Eisberg.

Man sieht immer nur einen kleinen Teil jedes Eisbergs an der Wasseroberfläche. Ganz egal wie riesig er erscheint, es sind immer nur 10-15 % seiner tatsächlichen Größe, die man sehen kann- denn der wesentliche Teil bleibt unter Wasser. Ähnlich verhält es sich mit den Menschen und ihrem Inneren. Aus den Teilen tief unter der Oberfläche entsteht die Individualität, und daraus die Diversität. Dabei kann sie mehrere Schichten bilden und von mehreren Faktoren abhängig sein, nicht nur vom Alter, Herkunft, Religion und Sprache, sondern auch von den eigenen Erfahrungen, persönlichen Eigenschaften und gelernten Umgangsformen.

Judie macht mit uns mehreren Übungen, die uns die Möglichkeit geben, über die Tiefe der Diversität nachzudenken und uns auszutauschen. So müssen wir zum Beispiel unsere Arbeitsplätze vergleichen und darüber diskutieren. Wir müssen genau über geschlechtliche Diversität nachdenken, über die Diversität der Ethnien und bei unseren Berufen. Besonders interessant finde ich die Übung, bei der wir uns unterschiedliche Charaktereigenschaften anschauen müssen und überlegen sollen, welche von Ihnen genau zu der eigenen Nation passen. Tanja wählt für die Deutschen „reserviert“, „hart-arbeitend“ und „pünktlich“. Damit wir Vergleichsbasis haben beziehe ich meine Überlegungen auf meine bulgarische Herkunft. Ich wähle „warmherzig“, „stolz“ und „lösungsorientiert“.

Wir suchen positive und negative Auswirkungen dieser Eigenschaften, denn es ist bei weitem nicht alles Gold, was glänzt! Wir versuchen festzustellen, ob die „bulgarische Eigenschaften“ sich auch auf die Deutschen beziehen können und andersrum. Aber ganz abgesehen von dem Scherz, das persönliche Eigenschaften-Set zu erweitern macht Menschen einzigartig und bedeutet inneres Wachstum. Darum ist Diversität auch eine Bereicherung.

Als Zusammenfassung des Tages vermerken wir, dass es für die Diversität und die interkulturellen Kompetenzen drei wichtige Hauptfaktoren gibt: Knowledge, Skills, Mindset/Attitudes. Mit der Ankündigung, dass wir am nächsten Tag dies aufgreifen werden und unser Fokus auf Diversität bei Migranten richten werden verabschiedet sich Judie von uns und somit endet der erste sehr spannende Tag meines Seminars.

Um 14.30 Uhr wartet am Ausgang von ETI-Malta dessen Mitarbeiter Gilbert. Er macht mit uns eine Tour durch San Gijlian und zeigt uns die wichtigsten Orte, Restaurants, Geschäfte und Freizeitmöglichkeiten, die das kleine Städtchen zu bieten hat. Und ich dachte, ich würde vom letzten Jahr alles in San Gjilian kennen- Gilbert zeigt mir einiges, das mir nicht aufgefallen war! Unter den heißen Sonnenstrahlen bei 32 Grad laufen wir über eine Stunde, bevor ich mich zum Hotel begebe. Ich ruhe mich aus bis zu den Abendstunden und gehe danach noch einmal in dem warmen Sommerabend hinaus Richtung Silema, um ein paar tolle Fotos zu machen und etwas zu essen. Es ist sehr spät, als ich zurück ins Hotel kehre. Ich bin gespannt auf den zweiten Tag!

 

Dienstag, den 14.07.2020, 2. Tag

Der zweite Tag auf Malta beginnt mit einem guten Kaffee und einer ordentlichen Portion Sonne. Bei ETI – Malta fühlt es sich für mich inzwischen total vertraut an. Das Gefühl verstärkt sich, als ich vor der Tür des Gebäudes Valerie treffe – meine Dozentin vom letzten Jahr. Ich grüße sie und frage sie, ob sie sich an mich erinnert. Valerie überlegt kurz und gibt zu, dass ihr mein Gesicht sehr bekannt vorkommt, sich jedoch nicht an meinem Namen erinnert. Als ich ihr aber verrate woher wir uns kennen reagiert sie sofort: „Yes, of course – you are from Germany!“ Also doch! Wir reden ein paar Minuten miteinander und sie wünscht mir viel Spaß in meinem neuen Kurs. „Dann ist ETI schon ein wenig wie eine Familie für dich!“, sagt sie herzlich zum Schluss. Mir wird warm ums Herz und ich eile zum Seminarraum mit einem Lächeln.

Judie empfängt uns gleich mit einem Match. Sie hat an dem interaktiven Screen einige Begriffe aufgeschrieben: Internely displaced persons, Asylum Seekers, illegal Immigrants and Migrants. Auf der anderen Seite steht das Wort „Refugees“.  Wir müssen uns überlegen was genau diese Gruppen von Menschen lernen müssen, um in einem fremden Land bleiben zu können. Integration hat mehrere Formen, und alle davon werden gebraucht.

Was ist also wichtig, um in einem fremden Land ein Leben aufzubauen und einen Neubeginn zu meistern? Die Sprache erlernen, die Regeln und Gesetze folgen und beachten, die Sitten und die Kultur kennen lernen und akzeptieren, die geographische und politische Merkmale des neuen Landes merken…

Es sind die gleichen Dinge, die jeder zum Überleben braucht, wenn er seine Heimat verlässt- und es ist dabei wirklich egal zu welcher Gruppe er gehört. Es ist auch vollkommen gleich aus welchem Land er gekommen ist. So stehen also alle fremden Menschen vor den gleichen Problemen im neuen Land. Und sie bedürfen eine Lösung, die bei jeder Person vollkommen anders ausfallen kann.

Wir bekommen eine Liste mit verschiedenen Lösungen für Probleme, die bei der Integration entstehen können. Unsere Aufgabe ist, von diesen insgesamt 18 Lösungen welche auszusuchen, die in der eigenen Institution und an der eigenen Arbeitsstelle Priorität haben. Zum Schluss sollen wir unsere Lösungen vergleichen, und sollten diese voneinander abweichen, so müssen wir darüber diskutieren und ein Kompromiss finden.

Natürlich weichen sie voneinander ab- nämlich alle! Es ist auch logisch, schon allein deshalb, weil Tanja unterrichtet und ich in dem administrativen Bereich tätig bin. Sie richtet ihren Fokus auf ganz andere Dinge. Wir haben die Möglichkeit unsere Aufgabenbereiche besser kennen zu lernen und erklären uns gegenseitig die Schwerpunkte unserer Tätigkeiten.

Die Arbeit mit Migranten und Flüchtlingen ist sehr vielfältig und erfordert besondere Kenntnisse- sowohl bei den Lehrern als auch bei den Personen, die sie bürokratisch unterstützen. Diese Kenntnisse wachsen und verändern sich mit der gesammelten Erfahrung, sie verändern auch die Sichtweise der Mitarbeiter zu einem großen Teil. Somit kehren wir wieder zu den drei wichtigsten interkulturellen Kompetenzen: Knowledge, Skills, Mindset.

Danach konzentrieren wir uns auf die Arbeit mit Flüchtlingen. Unter all den Migranten sind sie diese Gruppe von Menschen, die eine besondere Betreuung brauchen. Wir schauen uns ein Video über einige Fakten und Zahlen über Flüchtlinge an. 52% der Flüchtlinge sind Kinder. Dabei versteht sich- unter 18 Jahre alt. 360.000 davon sind über den offenen Ozean angekommen. Lediglich 3 % sind zurück in ihren Ländern gekehrt. Es gibt auch noch weitere Statistiken, und Tanja und ich überlegen gemeinsam was diese Zahlen aussagen.

Wir zählen außerdem die häufigsten Probleme auf, die sich bei den Geflüchteten bemerkbar machen:

Zum Schluss überlegen Tanja und ich welche Themen wir für unsere Präsentationen nehmen wollen- denn am Freitag sollen wir uns gegenseitig präsentieren, was wir für unsere Aufgabenbereiche von diesem Kurs mitnehmen wollen. Wir verabschieden uns von Judie und laufen schnell zum Eingang des Gebäudes, denn heute ist gleich um 14.30 Uhr die geführte Tour nach Valletta geplant.

Es sind inzwischen 33 Grad und wir begeben uns in Valletta auf der Suche nach den besten Sehenswürdigkeiten. Mario führt uns heute–  auch ihn kenne ich noch vom letzten Jahr. Freundlich, humorvoll und kompetent. Bei der glühenden Hitze führt er uns durch die Stadt und erzählt uns Wissenswertes über Malta und die Geschichte der Insel. Auch wenn ich die Tour schon kenne, ist sie immer noch interessant und informativ für mich. Nach der Führung bleibe ich noch in Valletta zum Abendessen und auch um einige wunderschöne Bilder zu schießen. Diese Stadt hat so viel zu bieten, sodass ich wieder einmal die Zeit vergesse und spät ins Hotel zurückkehre.

 

Mittwoch, den 15.07.2020, 3. Tag

Es ist schon Mittwoch, und ich bin auf den heutigen Kurstag sehr gespannt. Der Kurstag heute ist sehr gedankenintensiv und beinhaltet viele Diskussionen. Anhand von mehreren Beispielen, Bildern und Videos gehen wir immer tiefer in die Schichten der Diversität hinein. Mir wird bewusst wie vielfältig eigentlich dieses Thema ist.

Es beinhaltet nicht nur Migranten und Flüchtlinge, es betrifft auch alle Menschen, die durch etwas „anders“ sind, besondere Bedürfnisse haben oder sich durch ihre Weltanschauung von den Massen unterscheiden. Für all diese Menschen gilt es als erstes ihre Diversität zu erkennen und zu verstehen, denn nur dann kann man auch den richtigen Weg finden, um sie zu beschulen und ihnen zu helfen.

Diversität stößt nämlich in den seltenen Fällen auf Akzeptanz und richtige Förderung. Meistens wird einfach Anpassung verlangt. Diese ist aber nicht allen Menschen einfach so möglich. Wer noch nie in seiner Heimat Buchstaben gelernt hat, braucht Zeit und besondere Hilfe, um es zu lernen. Wer unter Dyskalkulie leidet, kann nicht einfach Mathe auswendig lernen. Dies erscheint logisch, in der Praxis wird es aber sehr schnell vergessen und sogar belächelt. An dieser Stelle zeigt uns Judie ein Bild.

Es ist eigentlich eine bekannte Anekdote:

Sofort wird es klar, worum es hier geht. Jeder Mensch hat unterschiedliche Stärken und Schwächen. Nicht jeder startet ins Leben mit dem gleichen Set an persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten, und schon gar nicht unter denselben Bedingungen. Somit kann man auch nicht das gleiche von jedem erwarten und ihn mit dem Rest einer Gruppe vergleichen. Und dies muss jedem klar sein, der in dem Bildungsbereich arbeitet. Ob in einer Geschäftsstelle bei der Einteilung und die Betreuung in den Kursen, oder als Dozent bei dem Unterrichten: man muss genau beobachten und erkennen können, ob jemand „anders“ ist- um ihm dann die richtige Hilfe anzubieten.

Damit wir ein praktisches Beispiel haben, wie es diesen Menschen ergeht, macht Judie mit uns eine kleine Übung. Tanja und ich schreiben beide mit der rechten Hand. Judie bittet uns darum, dass wir die Stifte mit der linken Hand nehmen und das aufschreiben, was sie uns diktiert. Während des Diktats gibt sie uns nebenbei andere kurze Anweisungen. Tanja und ich schaffen es kaum, 2-3 Wörter aufzuschreiben.

Man kann unser Buchstaben-Kauderwelsch nicht einmal mit viel Fantasie entziffern. Wir haben auch keine Ahnung, welche Anweisungen uns während des Diktats gegeben wurden. Wir waren so konzentriert darin etwas aufzuschreiben, dass wir uns weder die Sätze zu Ende merken konnten, die man uns diktierte, noch Acht auf die Anweisungen geben konnten.

Das Gefühl, das man dabei empfindet, wenn man gezwungen ist zuzugeben, dass man etwas nicht erledigt hat, weil man es schlicht und einfach nicht kann, ähnelt sehr physischen Bauchschmerzen. Nicht jeder ist in der Lage damit umzugehen. Manche werden aggressiv oder depressiv, demotiviert, oder verweigern das Lernen.

Meine Kurskollegin Tanja und ich vertiefen uns in der Diskussion, geleitet und angeregt von den Fragen unserer Dozentin. Judie passt sehr genau auf, und greift geschickt immer an der richtigen Stelle ein, um noch eine und noch eine Gedankenprovokation in den Raum einzuwerfen. So kommen Tanja und ich wie ganz von allein zu Schlussfolgerungen und Ideen, die unsere Diskussionen abrunden. „Aber so viel Rücksicht bringt die Welt doch niemals auf, irgendwie müssen auch Menschen, die sich von den anderen durch etwas unterscheiden auch allein vorankommen!“

Judie nimmt diesen Satz von Tanja auf und geht zu dem nächsten wichtigen Punkt der Diversität. Jeder Mensch lernt anders. Manche bevorzugen die Dinge zu sehen und speichern sie sofort in ihrem Kopf. Andere haben ein gutes Audiogedächtnis und merken sich Erzählungen besser als gelesene Texte. Manch andere lernen am besten durch Prozesse, bei denen man mit den Händen arbeiten muss. Heutzutage spricht man von unterschiedlichen Arten der menschlichen Intelligenz.

Logisch-mathematische Intelligenz

Sprachliche Intelligenz

Räumliche Intelligenz.

Musikalische Intelligenz

Kinästhetisch-körperliche Intelligenz

Intrapersonale Intelligenz

Zwischenmenschliche Intelligenz

Naturalistische Intelligenz.

 

Der Mensch hat sich daran gewöhnt sich intuitiv anders zu helfen und diese Eigenschaften zu nutzen, die stark ausgeprägt sind, um die schwächeren zu kompensieren. Wenn ich etwas nicht lesen kann, frage ich- um es zu hören. Wenn ich das Gehörte nicht sofort verstehe, hilft mir ein praktisches Beispiel. Wenn mein Vorstellungsvermögen nicht ausreicht, so verpacke ich es in einer Formel und rechne es heraus wie 2+2…

In jedem Fall geht der Weg über das eigene Kennenlernen, Akzeptieren und Erweitern. Und zwar bei jeder Seite: bei den Personen mit besonderen Bedürfnissen und bei den Menschen, die mit ihnen arbeiten. Am Ende sagt Judie etwas dazu, das ich seit längerem denke und schon mehrfach drüber selbst diskutiert habe: es ist nicht die Integration allein, die dringend notwendig ist. Es ist die Inklusion, die gebraucht wird. Dass jemand sich integriert, bedeutet sich an etwas anzupassen, und zwar so wie es ist.

Einen Menschen in einer Gesellschaft zu inkludieren wäre aber der entgegenkommende Schritt: diesem Menschen die Möglichkeit zu geben ein Teil der Gesellschaft zu sein und ihn mit einzubeziehen; nicht nur seine Integration zu verlangen, sondern im Gegenzug seine Besonderheiten zu akzeptieren und ihn mit ihnen ein Teil der Gesellschaft sein zu lassen.

Und das ist es- irgendwie fehlt mir die Inklusion an allen Stellen. Denn wenn wir darauf bestehen, dass wir als Mehrheit nichts tun brauchen, und nur die einzelnen sich bemühen müssen, um zu uns zu gehören- dann sind wir eine Gesellschaft, die Diversität in allen ihrer Formen ausgrenzt, anstatt uns durch diese selbst zu entwickeln!

Unser Kurstag endet mit einer kleinen Übung, bei der wir selbst für uns herausfinden sollen, welche Art von Intelligenz bei uns am stärksten ausgeprägt ist. Natürlich bin ich rundum intelligent, was ist das bitte für eine Übung!? Ah, Moment, so genau gesehen sollte ich ein paar Abstriche für meine manchmal etwas fragwürdige Grobmotorik einplanen… Oh, und ich liebe die Natur, aber ich brauche einen geschützten Raum, um mich zum Arbeiten und Lernen zu konzentrieren, ohne Geräusche, nicht einmal die der Natur! Und, ah ja – wenn ich es genau überlege, zusammen mit anderen Menschen in einem Raum kann ich doch überhaupt nicht lernen…

Diversität erfordert Ehrlichkeit zu sich selbst. Bedingungslos. Und die Konfrontation mit seinen eigenen Fähigkeiten, aber auch Schwächen, ist immer ein längerer Prozess.

Der Kurstag vergeht wie im Flug. Tanja und ich wollten schon gestern die bedeutende St. John’s Co-Cathedral in Valletta sehen, sie war aber geschlossen. Heute haben wir uns extra ein Taxi organisiert, das pünktlich nach dem Unterricht auf uns wartet. Wie konnte ich im letzten Jahr diese Kathedrale bei meiner „Sehenswürdigkeiten-Jagd“ überspringen? Ich bin sehr froh, dass ich sie dieses Mal sehe. Ein gewaltiges Bauwerk, und zwar nicht nur deshalb, weil Carravagio höchstpersönlich sein einziges signiertes Meisterwerk an der Wand gezaubert hat! Die ganze Kathedrale ist unglaublich reich verziert und bemalt, so dass man beim Betrachten sogar zu atmen vergisst.

Ich nehme mir richtig Zeit, um mir alle Details anzusehen. Und da ich schon seit Montag ständig bis spät in der Nacht unterwegs bin, und morgen die Tour nach M’dina geplant ist, entscheide ich mich für den heutigen späten Nachmittag bzw. frühen Abend einfach am Strand und im Meer zu entspannen. Später am Abend arbeite ich an meiner Präsentation- und hoffe, dass der vierte Kurstag mir noch mehr Input dafür geben kann.

 

Malta, den 16.07.202, Tag 4

Ich wache auf und muss überraschend feststellen, dass es schon Donnerstag ist. Ich habe nicht gemerkt, wie die Zeit vergangen ist – der Kurs ist äußerst interessant und absolut nach meinem Geschmack. Um kurz vor 9. 00 Uhr stehe ich schon an der Tür unseres Seminarraums. Es wundert mich nicht, dass der interaktive Bildschirm schon eingeschaltet ist und die Unterlagen auf dem Tisch liegen- die Dozenten der ETI-Malta sind immer vor den Teilnehmern da und haben alles Wichtige vorab erledigt, um Zeit zu sparen.

Judie startet unseren Unterricht mit einem Songtext. Ich kenne den Song nicht, aber für mich ist der Text die Botschaft einer Person, die sich danach sehnt, etwas mehr Ruhe und Zeit allein für sich zu haben. Das erinnert uns daran, dass menschliche Bedürfnisse oft unterschätzt werden, auch die eigenen.

Das Gefühl, Zeit allein für sich zu benötigen und niemanden in solchen Momenten an sich ran zu lassen ist auch eine besondere Form der Diversität. Hier besteht die Inklusion darin, die Menschen so in einer Gruppe zu lassen, wie sie sind- eben mit dem Bedürfnis etwas auf Distanz zu blieben.

Es geht um das Einhalten der Distanz, die Menschen manchmal mit Absicht aufbauen. Die gestellten Grenzen sollten erkannt und diese vorerst nicht überquert werden. Auch in der Bildung, oder besonders darin, werden solche Grenzen manchmal nicht erkannt. Es hilft niemandem, wenn man mit aller Kraft und über den Wunsch der Schüler hinaus versucht, ihm vermeintlich „zu seinem Besten“ in einer Gesellschaft zu integrieren.

Schüler oder Kursteilnehmer mit auffälligem Verhalten, oder einfach Menschen aus anderen Kulturen gehen manchmal ihre eigenen Wege und selbst bei einem Hilfeversuch blocken sie ab und bleiben unnahbar. Die Akzeptanz und der Respekt vor den gestellten Grenzen, selbst dann, wenn der Lehrer oder der Dozent zum Rest der Gruppe ein enges Verhältnis aufgebaut hat, stehen hier an erster Stelle.

Aus diesem Anlass heraus zeigt uns Judie die Seite des SEMPRE-Projekts der Universität in Latvia. SEMPRE ist ein Projekt, das Menschen mit besonderen Bedürfnissen unterstützt und ihnen unter anderem auch die Möglichkeit gibt, sich in bestimmten Fakultäten einzuschreiben, wo das Lernen so aufgebaut ist, dass sie zum einen genug in sozialen Projekten involviert sind, aber gleichzeitig auch „ihre Ruhe“ haben können.

Weiter unten auf der Seite des SEMPRE-Projekts sehe ich, dass sie in Europa mehrere lokale Netzwerke haben, einige davon in Deutschland. Ich lese da Nordfriesland, Plön, und – wie jetzt, Dithmarschen? Das ist ja wirklich bei uns in Tornesch „um die Ecke!“ So ein wenig stolz bin ich schon, dass wir in Schleswig-Holstein uns mit diesem Projekt so aktiv befassen und es unterstützen!

Weniger stolz bin ich eigentlich darauf, dass ich es nicht wusste. Es ist aber eine gute Information, denn ich kann mir gut vorstellen, dass auch Teilnehmer unserer Volkshochschule davon profitieren können, sobald sie etwas besser mit der deutschen Sprache fortgeschritten sind.

Flüchtig gesehen stelle ich fest, dass in Dithmarschen viele Möglichkeiten für Menschen mit Belastungen bietet, und anscheinend nicht nur ihnen. Ich mache mir die Notiz, mir das zu Hause in Ruhe mal genauer anzusehen und festzustellen, was genau dort gemacht wird. Tolle Sache!

Wir unterhalten uns kurz über die Körpersprache der Menschen und die Fähigkeiten, ihre Signale richtig zu lesen. Die Körpersprache kann Dozenten und Lehrern helfen das Verhalten ihrer Schüler besser zu verstehen. Grundsätzlich sind hier die Kompetenzen der Dozenten nicht nur in ihrem Fach angesprochen, sondern ihre pädagogischen und menschlichen Skills.

Wir machen einige Übungen, die uns erlauben, Signale zu deuten und mit den damit gesendeten Botschaften umzugehen. Dabei geht es nicht nur darum, auf die Teilnehmer eines Kurses richtig einzugehen, sondern auch als Dozent seine eigenen Grenzen zu setzen, denn während des Unterrichtens ist ein Dozent an vielen Stellen gefordert und muss verschiedene Situationen meistern.

Der Sinn für die Körpersprache und die durch sie gesendeten Signale zu entwickeln hilft auch dem Dozenten sich in bestimmten Situationen besser einzufinden, Teilnehmer zu unterstützen und dabei selbst den richtigen Weg aus diesen Situationen zu finden.

Das erleichtert das Unterrichten mit Sicherheit, aber auch im Büro, bei dem Umgang mit neuen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, kann mir das eine große Hilfe sein, mehr Acht darauf zu geben. Denn, egal woher die Leute kommen, eine Sprache sprechen wir alle gemeinsam- diese des Körpers und seiner Haltung. Wir konzentrieren uns weiterhin auf dieses Thema, machen schriftliche Übungen darüber und diskutieren. Tanja erzählt einige Erfahrungen aus der eigenen Praxis als Lehrerin.

Am Nachmittag arbeiten wir ein wenig an unserer Präsentation. Judie hilft uns manchmal und gibt uns auch die Möglichkeit, ihr Fragen zu stellen. Sie ist eine sehr aufmerksame Zuhörerin.

Nach dem Unterricht geht’s direkt weiter mit der Tour nach M’dina. Obwohl mir auch diese Tour schon bekannt ist, ist M’dina immer wieder sehenswert. Ich erinnere mich daran, dass ich schon im letzten Jahr so fasziniert von der „Stillen Stadt“ war, dass ich am nächsten Tag direkt nach der Führung noch einmal dorthin gefahren war. Man hat dort wirklich das Gefühl, dass die Zeit stehen geblieben ist. Die Gassen sind fast leer, bis auf unsere Gruppe. Nur hinter den halb geöffneten, schweren, wunderschönen Holztüren der sandfarbenen Gebäude sieht man hier und da, dass irgendwo noch Leben ist. Es ist faszinierend, da es auf mich wie eine in einer anderen Dimension versteckte Welt erscheint.

Wir beenden unsere Tour in dem tollen Café „Fontanelle“, in dem es einen großen Stück Kuchen und einen Mokka-Kaffee für mich gibt. Wir kehren am frühen Abend zurück nach San Gjilian, und später mache ich noch einen Ausflug nach Silema, um etwas bei den tollen, dicht bewachsen mit blühenden Oleandern Buchten spazieren zu gehen und zu entspannen. Morgen wird eine Präsentation gehalten- da bin ich sogar fast schon aufgeregt!

 

Malta, den 17.07.2020, Tag 5.

Der letzte Kurstag in Malta startet früh- ich möchte mir schnell noch die Präsentation ein letztes Mal angucken. Außerdem hatten wir noch eine kleine Hausaufgabe von Judie bekommen, die ich genau wie in den Schulzeiten absolut stressfrei in dem allerletzten Moment noch erledige 😊. Um 9 Uhr geht’s schon rüber zu ETI-Malta, und Judie erwartet uns in dem Raum.

Sie gibt uns die Möglichkeit noch ein wenig an den Präsentationen zu arbeiten und erzählt uns von dem neuen Kurs, der bei ETI angeboten wird: Discover Malta. Es ist ein zweiwöchiger Kurs, der zum einen zur Übung der englischen Sprache dient, zum anderen aber Malta sehr intensiv kulturell, geschichtlich und kulinarisch präsentiert und den Menschen nahebringt. Tolle Sache, das behalte ich mal im Hinterkopf!

Dann kommt die Zeit, dass Tanja und ich unsere Präsentationen zeigen. Ich darf starten und erzähle zuerst Tanja und Judie wer wir in Tornesch sind und was wir genau machen. Selbstverständlich zeige ich auch den kleinen Image-Film über die Volkshochschule Tornesch-Uetersen, den wir vor zwei Jahren zu unserem Jubiläum haben drehen lassen.

Judie und Tanja gefällt er sehr gut, sie äußern ihre Begeisterung über die gewählten Szenen und die dazu passende Musik. Beide stellen viele Fragen zu unseren Kursen und sind sehr überrascht, dass in so einem kleinen Ort wie Tornesch (ich hatte es auf der Karte gezeigt- zentral in den Feldern gelegen, mit Hamburg als Vorort😊) ein so vielfältiges Kursangebot entstanden ist und dieses auch angenommen wird. Knapp 2500 Kilometer von zu Hause fühle ich mich ganz schön stolz auf unsere kleine, aber moderne, innovative und bunte Volkshochschule!

Danach präsentiere ich das von mir ausgesuchte Thema des Kurses. Aus meiner Sicht ist es eindeutig der Unterschied zwischen Integration und Inklusion, und meiner Meinung nach dürfen diese zwei Begriffe nicht getrennt werden, denn ohne den anderen kann keiner der beiden wirklich funktionieren. Man sollte sie also wie ein Paar Schuhe betrachten- man kommt nicht weiter nur mit einem davon!

In meiner Präsentation bin ich auf die Unterschiede zwischen Gleichheit und Gerechtigkeit (equality and equity) eingegangen und warum die individuelle Unterstützung von Teilnehmern unter Beachtung der persönlichen Eigenschaften, familiären Gegebenheiten und den eigenen Zielen deutlich mehr Sinn macht.

Dabei ist wichtig, dass die Dozenten Kenntnisse über die Arten von Intelligenz (multiple intelligence) besitzen, damit sie diese dann bei den einzelnen Teilnehmern erkennen und fördern können. Und es ist wichtig, sich diese Zeit zu nehmen, denn diese wird später mit Sicherheit an anderen Stellen im Lernprozess erspart. Auch die interkulturellen Kompetenzen sollen erweitert werden, denn es ist sehr hilfreich zu wissen, wie sich die Kultur der Teilnehmer auf ihre Lernstrategie ausgewirkt hat, was in dieser Kultur üblich ist und welche Begriffe des Lernprozesses bereits bekannt sind.

Man kann sich dann Gedanken um alternative Lernstrategien machen und diese unterstützen, um das Hauptziel zu erreichen: eine gute Beherrschung der deutschen Sprache, die Integration in der deutschen Gesellschaft neben dem Erhalt der eigenen Kultur und die Inklusion durch das eigene neu gebildete Umfeld.

Nach mir ist Tanja dran. Sie hat ein komplett anderes Thema gewählt. So kann man sehen, wie unterschiedlich die Sichtperspektiven der Menschen sind und das ist gut so, denn jeder nimmt für sich das mit, was für seine Arbeit wichtig ist. Für Tanja als Englisch-Dozentin ist sehr wichtig bei den Teilnehmern unterscheiden zu können, welche Hintergründe sie haben, um ihnen das richtige Vokabular bieten zu können.

Sie geht auch auf die Unterschiede zwischen Migranten, Asylanten, Flüchtlinge, Gastarbeiter und deutsche Bürger, die dennoch eine Beschulung in ihrer eigenen, oder einer fremden Sprache brauchen, ein. Ihr ist während des Kurses bewusst geworden, dass selbst bei Menschen mit der gleichen Herkunft es vollkommen unterschiedliche Gründe der Migration geben kann.

Wenn Personen aus einem Land kommen, in dem Krieg herrscht, so nimmt man automatisch an, sie seien nur aufgrund der Gefahr nach Deutschland gekommen, was auch zu einem großen Teil richtig ist. Dennoch ist dies nicht immer der Fall, und die automatische Zuordnung eines Menschen nur aufgrund seiner Herkunft kann oft Schwierigkeiten bereiten, um ihn richtig zu beschulen und um sein Lernziel dabei zu erkennen. Tanja macht uns mit einem konkreten Fall einer jungen Frau aus Äthiopien bekannt.

Ihre Präsentation ist sehr interessant und bietet eine ganz andere Sicht auf das Gelernte in diesem Kurs. Auch eine sehr konkrete und konstruktive Einschätzung der eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten hat Tanja von diesem Kurs mitgenommen. Als Dozentin ist es sehr wichtig für sie, sich selbst dabei nicht aus den Augen zu lassen und sich über die eigenen Methoden und Strategien des Unterrichtens bewusst zu sein. Auch wenn ich nicht unterrichte, kann ich mich dem nur anschließen.

Ein so intensiver Kurs über Menschen und ihre Individualitäten soll immer Erkenntnisse auch über einen selbst bringen. Man kann keine neuen Projekte und Prozesse entwickeln, wenn man sich selbst nicht positiv kritisch betrachtet und sich dabei selbst entwickelt. Darüber sind wir uns alle drei einig.

So geht der letzte Tag unseres Kurses zu Ende und Tanja und ich erhalten unsere Zertifikate. Ich muss an dieser Stelle ein großes Lob an ETI-Malta aussprechen. Auch dieses Mal, unter den besonderen Bedingungen der Corona-Pandemie, waren sie bestens organisiert und vorbereitet, aber auch offen für jeden Teilnehmer und immer bestens gelaunt. Jedes Mal, wenn wir etwas gebraucht haben, wurde es mit einem Lächeln erledigt und angeboten. Jedes Mal haben wir uns willkommen und gut betreut gefühlt. Ich muss einfach so direkt sagen- sie sind auf Arbeit mit Menschen ausgerichtet: sie sind flexibel und kundenorientiert, und machen einen wirklich guten Job! Dieses Feedback habe ich ihnen auch sehr gern gegeben!

Am Nachmittag fahre ich zu der Nebeninsel Gozo. Ich erinnere mich noch viel zu gut an den wunderschönen Ort, an dem früher das ins Meer gestürzte Naturphänomen Azure Window stand und will noch einmal dorthin. Die Überfahrt nach Gozo und zurück geht genauso unkompliziert wie im letzten Jahr. Wieder einmal bin ich zutiefst beeindruckt von der einzigartigen Atmosphäre dieses Ortes, er wirkt nach wie vor magisch auf mich.

Dieses Mal halte ich mich länger auf Gozo auf, da ich nun weiß, dass die Fähre zurück zur Hauptinsel bis Mitternacht alle halbe Stunde fährt. Ich schaffe es, mehrere Fotos von Gozo bei Dämmerung zu machen, und genieße die Überfahrt zurück in voller Dunkelheit aufs Meer.

An dem nächsten Tag, den ich mir extra auf Malta eingeplant habe, werde ich noch die Blaue Grotte besuchen, um dort zu schwimmen, sowie einer der Three Cities- Birgu, denn von dort aus hat man mir eine herrliche Aussicht zu Valletta versprochen. Am Sonntag geht es dann zurück nach Deutschland.

Und nun blicke ich zurück auf diese Woche und stelle fest, dass ich auch dieses Mal wirklich großes Glück hatte. Ich hatte wieder einmal eine sehr einfühlsame, kompetente und zugewandte Dozentin mit viel Erfahrung. So fühlte ich mich in diesem Kurs in jeder einzelnen Minute beschäftigt, gefordert, gefördert… willkommen!

Ich hatte auch großes Glück mit Tanja, denn wir haben uns wirklich wunderbar ergänzt, uns gegenseitig immer den richtigen Gedankenanstoß gegeben und noch dazu wahnsinnig viel gelacht und Spaß gehabt. Auch für die Anwendung der englischen Sprache war es perfekt- denn, wenn einer von uns mal das richtige Wörtchen fehlte, so wusste die andere es meistens sofort.

Ja, zugegeben- mir passierte es definitiv öfter als Tanja, aber was für ein großes Privileg ist das, in einem so tiefgründigen und gedankenintensiven Kurs mit einem so speziellen Vokabular eine so kompetente Englisch-Dozentin neben sich zu haben- und dazu noch so offen und lustig!

Dass wir nur zu zweit in diesem Kurs waren, war ebenfalls ein großes Glück- wir hatten unsere Dozentin komplett für uns.  Der Kurs selbst war genau das, was ich in meiner Tätigkeit benötige. Er war wie dafür zugeschnitten und hat mir mehr gegeben, als ich mir erhofft habe. Ich kann nur jedem, der danach fragt, mit gutem Gewissen sagen: mach das bloß!

Es ist immer anders, es ist in jeder Hinsicht ein großes Glück, und es ist gemeinsam für alle, und doch so individuell- weil Diversität der Kern der Welt ist und jeder von uns dazu gehört, wie er ist!

 

 

 

 

 

 

InDivhs

Projekt InDivhs ermöglichte Fortbildungen in Europa für vhs-Mitarbeiter*innen und Kursleiter*innen

Der Landesverband der Volkshochschulen Schleswig-Holsteins e.V. hat zum 1. September 2019 das Projekt InDivhs im Rahmen des Erasmus+ Programms der Europäischen Union begonnen.

Ziel des Projektes war es, Diversität und Diversity-Management in den Volkshochschulen fördern. Daher wurden Kurse, Hospitationen und Konferenzen gefördert, die sich mit Diversität im Arbeitsalltag und Unterricht bzw. mit Diversity-Management, Interkulturalität etc. beschäftigen .

Während der – coronabedingt – auf drei Jahre verlängerten Laufzeit des Projektes bis zum 31. August 2022 konnten Leitungen, Programmverantwortliche und Kursleitende aller Programmbereiche sowie Verwaltungsmitarbeitende von Volkshochschulen in Schleswig-Holstein an geförderten Fortbildungsaufenthalten im europäischen Ausland zum Thema Diversität teilnehmen. Das Projekt förderte Reise-, Aufenthalts- und Kurskosten nach festen Pauschalen der NABiBB. Mögliche Zielländer waren alle europäischen Länder außer Großbritannien, der Schweiz und der Türkei.

Im Gegenzug verpflichteten sich die Teilnehmenden am Projekt, die im europäischen Ausland erworbenen Kenntnisse mit allen Volkshochschulen zu teilen: Sie verfassten ein täglich zu führendes Lerntagebuch, das in diesem Projekt-Blog veröffentlicht ist und berichteten in den entsendenden Einrichtungen bzw. den Gremiensitzungen des Landesverbandes von ihren Erfahrungen.

Projektkoordination und Ansprechpartnerinnen:

Julia Francke, jf@vhs-sh.de, Tel. 0431/97984-24 oder

Jana Behrens, jb@vhs-sh.de, Tel. 0431/97984-27