Von R.S.
Sonntag, den 12.07.2020, Anreise
Reisen ist wundervoll…und manchmal nichts für Menschen mit schwachen Nerven! Als Bestätigung dieser These startet meine Reise nach Malta sehr kurios.
Ich habe mich für den Kurs „Diversity in Education. Developing intercultural and communications skills“ bei ETI Malta angemeldet und er sollte am Montag, den 13.07.2020 beginnen. Ich hatte für den Sonntag davor einen Flug von Hamburg nach Malta gebucht, und in den Monaten der COVID-Pandemie fast täglich gebangt und überlegt, ob alles wie geplant stattfinden kann. Anfang Juli wurden die Reisewarnungen für die EU-Länder aufgehoben, die Maßnahmen für die Eindämmung der Pandemie lockerten sich. Als mir ETI Malta die Veranstaltung endgültig bestätigte, war die Vorfreude groß!
Nun saß ich also am Samstag, den 11. Juli, einen Tag vor dem Abflug, an meinem Laptop und wollte nur noch das Check-in erledigen: alle Unterlagen sind sorgfältig in der Tasche einsortiert, der gepackte Koffer steht im Flur. Plötzlich leuchtet der Bildschirm rot auf – der Flug ist storniert worden! Ich kann es nicht fassen, denn ich habe keinerlei Informationen darüber bekommen – weder von dem Ticket-Anbieter, noch von der Fluggesellschaft. Und jetzt? Mir wird klar, dass ich absolut keine Zeit habe mich aufzuregen und verschiebe das für später, denn jetzt brauche ich zuerst eine Lösung.
Und ich muss eine Entscheidung treffen. Alle anderen Gedanken, etwa an Kostenerstattungen, schriftliche Beschwerden oder plausible Erklärungen für die fehlenden Informationen über den stornierten Flug sind ganz weit nach hinten in meinem Kopf verstaut und warten auf ihre Zeit.
So viele Monate voller Unsicherheit, dann endlich läuft alles einigermaßen normal, und nun soll das Ganze an dem stornierten Flug scheitern? Ich möchte nichts unversucht lassen und stöbere durch das Internet nach einer Alternative. Dann finde ich sie! Es gibt ebenfalls am Sonntagabend einen direkten Flug von Berlin nach Malta, der mir glücklicherweise in jeder Hinsicht passt. Ich wäre allerdings sehr spät da, und am Montagmorgen soll mein Kurs starten- aber das ist okay für mich.
Ich kontrolliere mehrfach – ja, der Flug wird als planmäßig und pünktlich angezeigt. Ich buche also schnell einen neuen Hin – und Rückflug und mache mich am nächsten Tag rechtzeitig auf den Weg nach Berlin. Am Flughafen Berlin-Tegel ist alles wie immer. Selbstverständlich gibt es wegen der COVID-Pandemie Maskenpflicht und Distanzregelung, aber sonst geht alles relativ zügig. Ab ins Flugzeug.
Nach einem sehr schönen und harmonischen Flug lande ich um 23.40 Uhr planmäßig in Malta. Von nun an geht’s Ruck-Zuck: mein Gepäck ist als erstes bei der Gepäckausgabe verfügbar, mein Fahrer wartet direkt am Ausgang, die Fahrt bis zum Hotel dauert 10 Minuten, das Einchecken ist problemlos – und endlich bin ich in meinem Hotelzimmer. Erst beim Einschlafen fällt mir ein, dass ich meine Mobilität um ein Haar verpasst hätte. Tja, nun! – sagen wir in Norddeutschland…nun bin ich aber da!
Montag, den 13.07.2020, 1. Tag
Ich bin schon um 6 Uhr hellwach. Mein Hotelzimmer ist gemütlich und ich fühle mich nach den Strapazen des turbulenten Wochenendes gut ausgeruht. Das Frühstück im Hotel wird am Tisch serviert, man wählt vorab seine Speisen und sie werden immer wieder vom Personal nachgereicht. Alle Hotelmitarbeiter tragen Masken, bei den Gästen wird dies etwas lockerer gesehen.
Und letztendlich ist das Frühstücken mit einer Maske im Gesicht nicht gerade sättigend! Ich mache mich nach dem Frühstück auf den Weg zu dem nahe gelegenen felsigen Strand- ich kenne ihn vom letzten Jahr, denn ich hatte bereits im Jahr 2019 im Rahmen eines Erasmus-Plus -Projekts einen wunderbaren Kurs über Digitalisierung bei ETI-Malta besucht. Die Insel wirkt auf mich in diesem Jahr allerdings leerer und ruhiger.
Die Corona-Pandemie hat auch hier ihre Spuren hinterlassen, und man merkt, dass der Tourismus gerade erst wieder zum Leben erwacht. Das empfinde ich aber als wirklich angenehm, denn die Insel ist nicht nur weniger überfüllt, sie ist auch deutlich sauberer und leiser. Ich bin um 8.30 Uhr schon in dem ESE-Gebäude, in dem mein Kurs stattfinden wird- mein Hotel ist gleich drei Eingänge weiter und das ist sehr entspannt, so brauche ich mich überhaupt nicht zu beeilen.
An der Tür bei ETI-Malta empfängt mich eine sehr freundliche Dame, die direkt am Eingang meine Körpertemperatur per Infrarot- Thermometer checkt. Das Gerät piept zustimmend, ich darf passieren! Es ist jetzt schon 26 Grad und ich setze mich auf der Terrasse, während ich darauf warte, dass man mich für den Kursbeginn aufruft.
Die Direktorin Sandra Montalto ist pünktlich um 9 Uhr da und teilt uns auf. Die Gruppen sind klein, bei zwei der Seminare ist sogar nur jeweils eine Person angemeldet! Gedanklich vergleiche ich es mit dem Ansturm vom letzten Jahr- damals gab es allein zu meinem Kursthema drei parallellaufende Kurse, mit einer Teilnehmeranzahl von jeweils 13 bis 15 Personen. An dieser Stelle muss ich bemerken, dass ETI-Malta anscheinend keine Kurse wegen geringer Teilnehmeranzahl absagt. Respekt! Das machen wir in Deutschland oft anders.
Ich werde ganz zum Schluss zusammen mit einer anderen Teilnehmerin zu der Dozentin Judie Ibottsen eingeteilt. Ja, wir sind auch nur zu zweit! Meine Mitstreiterin entpuppt sich als Englisch-Dozentin an einer bayerischen Volkshochschule, sie arbeitet aber auch im Kindergarten. Ihr Name ist Tanja, sie ist sehr aufgeschlossen und scheint sich ebenfalls richtig auf den Kurs zu freuen. Die Vorstellungsrunde ist kreativ.
Judie hat ihren Namen in der Mitte der Tafel aufgeschrieben und hat einige Denkblasen um den Namen herum positioniert. Wir sollen erraten, in welchem Zusammenhang die dort aufgezählten Begriffe, Namen und Zahlen zu ihr stehen. So erfahren wir mehr über sie und die Stimmung ist gleichzeitig witzig und locker geworden. Judie ist eine gebürtige Britin. Wir erfahren, dass sie zwei erwachsene Kinder und auch zwei Hunde hat, seit 2003 sich dem Unterrichten endgültig gewidmet hat, obwohl sie jahrelang in einer Bank gearbeitet hatte, und sehr gern die belgischen Pralinen Leonidas mag. (Dass es eine Sorte Schokolade geben soll, die ich nicht kenne ist aber auch eine Überraschung! 😊)
Tanja und ich versuchen auch, uns auf dieser Art und Weise vorzustellen, in dem wir gegenseitig versuchen, etwas über die andere Person zu erraten. So eingeleitet springen wichtigen Themen von allein in den Vordergrund: familiäre Verhältnisse, Ethnizität, Werte, Rituale und Glauben, regionale Besonderheiten. Tanja und ich haben vollkommen unterschiedliche persönliche Hintergründe, dennoch sind wir uns in sehr vielen Dinge ähnlich, zum Beispiel die Denkweise und das innere Wertesystem. Wir leben beide in Deutschland und sind beide durch dieses Land geprägt, dennoch bin ich in einem anderen Land aufgewachsen und selbst unsere Wohngebiete in Deutschland könnten kaum unterschiedlicher sein.
Viele individuelle persönliche Prägungen sind an der Oberfläche nicht zu erkennen, spielen jedoch eine große Rolle in jedem Lebensbereich. Wer mit Menschen arbeitet, muss das unbedingt wissen und richtig einschätzen und einordnen lernen. Judie vergleicht die menschlichen Eigenschaften einer Person mit einem Eisberg.
Man sieht immer nur einen kleinen Teil jedes Eisbergs an der Wasseroberfläche. Ganz egal wie riesig er erscheint, es sind immer nur 10-15 % seiner tatsächlichen Größe, die man sehen kann- denn der wesentliche Teil bleibt unter Wasser. Ähnlich verhält es sich mit den Menschen und ihrem Inneren. Aus den Teilen tief unter der Oberfläche entsteht die Individualität, und daraus die Diversität. Dabei kann sie mehrere Schichten bilden und von mehreren Faktoren abhängig sein, nicht nur vom Alter, Herkunft, Religion und Sprache, sondern auch von den eigenen Erfahrungen, persönlichen Eigenschaften und gelernten Umgangsformen.
Judie macht mit uns mehreren Übungen, die uns die Möglichkeit geben, über die Tiefe der Diversität nachzudenken und uns auszutauschen. So müssen wir zum Beispiel unsere Arbeitsplätze vergleichen und darüber diskutieren. Wir müssen genau über geschlechtliche Diversität nachdenken, über die Diversität der Ethnien und bei unseren Berufen. Besonders interessant finde ich die Übung, bei der wir uns unterschiedliche Charaktereigenschaften anschauen müssen und überlegen sollen, welche von Ihnen genau zu der eigenen Nation passen. Tanja wählt für die Deutschen „reserviert“, „hart-arbeitend“ und „pünktlich“. Damit wir Vergleichsbasis haben beziehe ich meine Überlegungen auf meine bulgarische Herkunft. Ich wähle „warmherzig“, „stolz“ und „lösungsorientiert“.
Wir suchen positive und negative Auswirkungen dieser Eigenschaften, denn es ist bei weitem nicht alles Gold, was glänzt! Wir versuchen festzustellen, ob die „bulgarische Eigenschaften“ sich auch auf die Deutschen beziehen können und andersrum. Aber ganz abgesehen von dem Scherz, das persönliche Eigenschaften-Set zu erweitern macht Menschen einzigartig und bedeutet inneres Wachstum. Darum ist Diversität auch eine Bereicherung.
Als Zusammenfassung des Tages vermerken wir, dass es für die Diversität und die interkulturellen Kompetenzen drei wichtige Hauptfaktoren gibt: Knowledge, Skills, Mindset/Attitudes. Mit der Ankündigung, dass wir am nächsten Tag dies aufgreifen werden und unser Fokus auf Diversität bei Migranten richten werden verabschiedet sich Judie von uns und somit endet der erste sehr spannende Tag meines Seminars.
Um 14.30 Uhr wartet am Ausgang von ETI-Malta dessen Mitarbeiter Gilbert. Er macht mit uns eine Tour durch San Gijlian und zeigt uns die wichtigsten Orte, Restaurants, Geschäfte und Freizeitmöglichkeiten, die das kleine Städtchen zu bieten hat. Und ich dachte, ich würde vom letzten Jahr alles in San Gjilian kennen- Gilbert zeigt mir einiges, das mir nicht aufgefallen war! Unter den heißen Sonnenstrahlen bei 32 Grad laufen wir über eine Stunde, bevor ich mich zum Hotel begebe. Ich ruhe mich aus bis zu den Abendstunden und gehe danach noch einmal in dem warmen Sommerabend hinaus Richtung Silema, um ein paar tolle Fotos zu machen und etwas zu essen. Es ist sehr spät, als ich zurück ins Hotel kehre. Ich bin gespannt auf den zweiten Tag!
Dienstag, den 14.07.2020, 2. Tag
Der zweite Tag auf Malta beginnt mit einem guten Kaffee und einer ordentlichen Portion Sonne. Bei ETI – Malta fühlt es sich für mich inzwischen total vertraut an. Das Gefühl verstärkt sich, als ich vor der Tür des Gebäudes Valerie treffe – meine Dozentin vom letzten Jahr. Ich grüße sie und frage sie, ob sie sich an mich erinnert. Valerie überlegt kurz und gibt zu, dass ihr mein Gesicht sehr bekannt vorkommt, sich jedoch nicht an meinem Namen erinnert. Als ich ihr aber verrate woher wir uns kennen reagiert sie sofort: „Yes, of course – you are from Germany!“ Also doch! Wir reden ein paar Minuten miteinander und sie wünscht mir viel Spaß in meinem neuen Kurs. „Dann ist ETI schon ein wenig wie eine Familie für dich!“, sagt sie herzlich zum Schluss. Mir wird warm ums Herz und ich eile zum Seminarraum mit einem Lächeln.
Judie empfängt uns gleich mit einem Match. Sie hat an dem interaktiven Screen einige Begriffe aufgeschrieben: Internely displaced persons, Asylum Seekers, illegal Immigrants and Migrants. Auf der anderen Seite steht das Wort „Refugees“. Wir müssen uns überlegen was genau diese Gruppen von Menschen lernen müssen, um in einem fremden Land bleiben zu können. Integration hat mehrere Formen, und alle davon werden gebraucht.
Was ist also wichtig, um in einem fremden Land ein Leben aufzubauen und einen Neubeginn zu meistern? Die Sprache erlernen, die Regeln und Gesetze folgen und beachten, die Sitten und die Kultur kennen lernen und akzeptieren, die geographische und politische Merkmale des neuen Landes merken…
Es sind die gleichen Dinge, die jeder zum Überleben braucht, wenn er seine Heimat verlässt- und es ist dabei wirklich egal zu welcher Gruppe er gehört. Es ist auch vollkommen gleich aus welchem Land er gekommen ist. So stehen also alle fremden Menschen vor den gleichen Problemen im neuen Land. Und sie bedürfen eine Lösung, die bei jeder Person vollkommen anders ausfallen kann.
Wir bekommen eine Liste mit verschiedenen Lösungen für Probleme, die bei der Integration entstehen können. Unsere Aufgabe ist, von diesen insgesamt 18 Lösungen welche auszusuchen, die in der eigenen Institution und an der eigenen Arbeitsstelle Priorität haben. Zum Schluss sollen wir unsere Lösungen vergleichen, und sollten diese voneinander abweichen, so müssen wir darüber diskutieren und ein Kompromiss finden.
Natürlich weichen sie voneinander ab- nämlich alle! Es ist auch logisch, schon allein deshalb, weil Tanja unterrichtet und ich in dem administrativen Bereich tätig bin. Sie richtet ihren Fokus auf ganz andere Dinge. Wir haben die Möglichkeit unsere Aufgabenbereiche besser kennen zu lernen und erklären uns gegenseitig die Schwerpunkte unserer Tätigkeiten.
Die Arbeit mit Migranten und Flüchtlingen ist sehr vielfältig und erfordert besondere Kenntnisse- sowohl bei den Lehrern als auch bei den Personen, die sie bürokratisch unterstützen. Diese Kenntnisse wachsen und verändern sich mit der gesammelten Erfahrung, sie verändern auch die Sichtweise der Mitarbeiter zu einem großen Teil. Somit kehren wir wieder zu den drei wichtigsten interkulturellen Kompetenzen: Knowledge, Skills, Mindset.
Danach konzentrieren wir uns auf die Arbeit mit Flüchtlingen. Unter all den Migranten sind sie diese Gruppe von Menschen, die eine besondere Betreuung brauchen. Wir schauen uns ein Video über einige Fakten und Zahlen über Flüchtlinge an. 52% der Flüchtlinge sind Kinder. Dabei versteht sich- unter 18 Jahre alt. 360.000 davon sind über den offenen Ozean angekommen. Lediglich 3 % sind zurück in ihren Ländern gekehrt. Es gibt auch noch weitere Statistiken, und Tanja und ich überlegen gemeinsam was diese Zahlen aussagen.
Wir zählen außerdem die häufigsten Probleme auf, die sich bei den Geflüchteten bemerkbar machen:
Zum Schluss überlegen Tanja und ich welche Themen wir für unsere Präsentationen nehmen wollen- denn am Freitag sollen wir uns gegenseitig präsentieren, was wir für unsere Aufgabenbereiche von diesem Kurs mitnehmen wollen. Wir verabschieden uns von Judie und laufen schnell zum Eingang des Gebäudes, denn heute ist gleich um 14.30 Uhr die geführte Tour nach Valletta geplant.
Es sind inzwischen 33 Grad und wir begeben uns in Valletta auf der Suche nach den besten Sehenswürdigkeiten. Mario führt uns heute– auch ihn kenne ich noch vom letzten Jahr. Freundlich, humorvoll und kompetent. Bei der glühenden Hitze führt er uns durch die Stadt und erzählt uns Wissenswertes über Malta und die Geschichte der Insel. Auch wenn ich die Tour schon kenne, ist sie immer noch interessant und informativ für mich. Nach der Führung bleibe ich noch in Valletta zum Abendessen und auch um einige wunderschöne Bilder zu schießen. Diese Stadt hat so viel zu bieten, sodass ich wieder einmal die Zeit vergesse und spät ins Hotel zurückkehre.
Mittwoch, den 15.07.2020, 3. Tag
Es ist schon Mittwoch, und ich bin auf den heutigen Kurstag sehr gespannt. Der Kurstag heute ist sehr gedankenintensiv und beinhaltet viele Diskussionen. Anhand von mehreren Beispielen, Bildern und Videos gehen wir immer tiefer in die Schichten der Diversität hinein. Mir wird bewusst wie vielfältig eigentlich dieses Thema ist.
Es beinhaltet nicht nur Migranten und Flüchtlinge, es betrifft auch alle Menschen, die durch etwas „anders“ sind, besondere Bedürfnisse haben oder sich durch ihre Weltanschauung von den Massen unterscheiden. Für all diese Menschen gilt es als erstes ihre Diversität zu erkennen und zu verstehen, denn nur dann kann man auch den richtigen Weg finden, um sie zu beschulen und ihnen zu helfen.
Diversität stößt nämlich in den seltenen Fällen auf Akzeptanz und richtige Förderung. Meistens wird einfach Anpassung verlangt. Diese ist aber nicht allen Menschen einfach so möglich. Wer noch nie in seiner Heimat Buchstaben gelernt hat, braucht Zeit und besondere Hilfe, um es zu lernen. Wer unter Dyskalkulie leidet, kann nicht einfach Mathe auswendig lernen. Dies erscheint logisch, in der Praxis wird es aber sehr schnell vergessen und sogar belächelt. An dieser Stelle zeigt uns Judie ein Bild.
Es ist eigentlich eine bekannte Anekdote:
Sofort wird es klar, worum es hier geht. Jeder Mensch hat unterschiedliche Stärken und Schwächen. Nicht jeder startet ins Leben mit dem gleichen Set an persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten, und schon gar nicht unter denselben Bedingungen. Somit kann man auch nicht das gleiche von jedem erwarten und ihn mit dem Rest einer Gruppe vergleichen. Und dies muss jedem klar sein, der in dem Bildungsbereich arbeitet. Ob in einer Geschäftsstelle bei der Einteilung und die Betreuung in den Kursen, oder als Dozent bei dem Unterrichten: man muss genau beobachten und erkennen können, ob jemand „anders“ ist- um ihm dann die richtige Hilfe anzubieten.
Damit wir ein praktisches Beispiel haben, wie es diesen Menschen ergeht, macht Judie mit uns eine kleine Übung. Tanja und ich schreiben beide mit der rechten Hand. Judie bittet uns darum, dass wir die Stifte mit der linken Hand nehmen und das aufschreiben, was sie uns diktiert. Während des Diktats gibt sie uns nebenbei andere kurze Anweisungen. Tanja und ich schaffen es kaum, 2-3 Wörter aufzuschreiben.
Man kann unser Buchstaben-Kauderwelsch nicht einmal mit viel Fantasie entziffern. Wir haben auch keine Ahnung, welche Anweisungen uns während des Diktats gegeben wurden. Wir waren so konzentriert darin etwas aufzuschreiben, dass wir uns weder die Sätze zu Ende merken konnten, die man uns diktierte, noch Acht auf die Anweisungen geben konnten.
Das Gefühl, das man dabei empfindet, wenn man gezwungen ist zuzugeben, dass man etwas nicht erledigt hat, weil man es schlicht und einfach nicht kann, ähnelt sehr physischen Bauchschmerzen. Nicht jeder ist in der Lage damit umzugehen. Manche werden aggressiv oder depressiv, demotiviert, oder verweigern das Lernen.
Meine Kurskollegin Tanja und ich vertiefen uns in der Diskussion, geleitet und angeregt von den Fragen unserer Dozentin. Judie passt sehr genau auf, und greift geschickt immer an der richtigen Stelle ein, um noch eine und noch eine Gedankenprovokation in den Raum einzuwerfen. So kommen Tanja und ich wie ganz von allein zu Schlussfolgerungen und Ideen, die unsere Diskussionen abrunden. „Aber so viel Rücksicht bringt die Welt doch niemals auf, irgendwie müssen auch Menschen, die sich von den anderen durch etwas unterscheiden auch allein vorankommen!“
Judie nimmt diesen Satz von Tanja auf und geht zu dem nächsten wichtigen Punkt der Diversität. Jeder Mensch lernt anders. Manche bevorzugen die Dinge zu sehen und speichern sie sofort in ihrem Kopf. Andere haben ein gutes Audiogedächtnis und merken sich Erzählungen besser als gelesene Texte. Manch andere lernen am besten durch Prozesse, bei denen man mit den Händen arbeiten muss. Heutzutage spricht man von unterschiedlichen Arten der menschlichen Intelligenz.
Logisch-mathematische Intelligenz
Sprachliche Intelligenz
Räumliche Intelligenz.
Musikalische Intelligenz
Kinästhetisch-körperliche Intelligenz
Intrapersonale Intelligenz
Zwischenmenschliche Intelligenz
Naturalistische Intelligenz.
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Der Mensch hat sich daran gewöhnt sich intuitiv anders zu helfen und diese Eigenschaften zu nutzen, die stark ausgeprägt sind, um die schwächeren zu kompensieren. Wenn ich etwas nicht lesen kann, frage ich- um es zu hören. Wenn ich das Gehörte nicht sofort verstehe, hilft mir ein praktisches Beispiel. Wenn mein Vorstellungsvermögen nicht ausreicht, so verpacke ich es in einer Formel und rechne es heraus wie 2+2…
In jedem Fall geht der Weg über das eigene Kennenlernen, Akzeptieren und Erweitern. Und zwar bei jeder Seite: bei den Personen mit besonderen Bedürfnissen und bei den Menschen, die mit ihnen arbeiten. Am Ende sagt Judie etwas dazu, das ich seit längerem denke und schon mehrfach drüber selbst diskutiert habe: es ist nicht die Integration allein, die dringend notwendig ist. Es ist die Inklusion, die gebraucht wird. Dass jemand sich integriert, bedeutet sich an etwas anzupassen, und zwar so wie es ist.
Einen Menschen in einer Gesellschaft zu inkludieren wäre aber der entgegenkommende Schritt: diesem Menschen die Möglichkeit zu geben ein Teil der Gesellschaft zu sein und ihn mit einzubeziehen; nicht nur seine Integration zu verlangen, sondern im Gegenzug seine Besonderheiten zu akzeptieren und ihn mit ihnen ein Teil der Gesellschaft sein zu lassen.
Und das ist es- irgendwie fehlt mir die Inklusion an allen Stellen. Denn wenn wir darauf bestehen, dass wir als Mehrheit nichts tun brauchen, und nur die einzelnen sich bemühen müssen, um zu uns zu gehören- dann sind wir eine Gesellschaft, die Diversität in allen ihrer Formen ausgrenzt, anstatt uns durch diese selbst zu entwickeln!
Unser Kurstag endet mit einer kleinen Übung, bei der wir selbst für uns herausfinden sollen, welche Art von Intelligenz bei uns am stärksten ausgeprägt ist. Natürlich bin ich rundum intelligent, was ist das bitte für eine Übung!? Ah, Moment, so genau gesehen sollte ich ein paar Abstriche für meine manchmal etwas fragwürdige Grobmotorik einplanen… Oh, und ich liebe die Natur, aber ich brauche einen geschützten Raum, um mich zum Arbeiten und Lernen zu konzentrieren, ohne Geräusche, nicht einmal die der Natur! Und, ah ja – wenn ich es genau überlege, zusammen mit anderen Menschen in einem Raum kann ich doch überhaupt nicht lernen…
Diversität erfordert Ehrlichkeit zu sich selbst. Bedingungslos. Und die Konfrontation mit seinen eigenen Fähigkeiten, aber auch Schwächen, ist immer ein längerer Prozess.
Der Kurstag vergeht wie im Flug. Tanja und ich wollten schon gestern die bedeutende St. John’s Co-Cathedral in Valletta sehen, sie war aber geschlossen. Heute haben wir uns extra ein Taxi organisiert, das pünktlich nach dem Unterricht auf uns wartet. Wie konnte ich im letzten Jahr diese Kathedrale bei meiner „Sehenswürdigkeiten-Jagd“ überspringen? Ich bin sehr froh, dass ich sie dieses Mal sehe. Ein gewaltiges Bauwerk, und zwar nicht nur deshalb, weil Carravagio höchstpersönlich sein einziges signiertes Meisterwerk an der Wand gezaubert hat! Die ganze Kathedrale ist unglaublich reich verziert und bemalt, so dass man beim Betrachten sogar zu atmen vergisst.
Ich nehme mir richtig Zeit, um mir alle Details anzusehen. Und da ich schon seit Montag ständig bis spät in der Nacht unterwegs bin, und morgen die Tour nach M’dina geplant ist, entscheide ich mich für den heutigen späten Nachmittag bzw. frühen Abend einfach am Strand und im Meer zu entspannen. Später am Abend arbeite ich an meiner Präsentation- und hoffe, dass der vierte Kurstag mir noch mehr Input dafür geben kann.
Malta, den 16.07.202, Tag 4
Ich wache auf und muss überraschend feststellen, dass es schon Donnerstag ist. Ich habe nicht gemerkt, wie die Zeit vergangen ist – der Kurs ist äußerst interessant und absolut nach meinem Geschmack. Um kurz vor 9. 00 Uhr stehe ich schon an der Tür unseres Seminarraums. Es wundert mich nicht, dass der interaktive Bildschirm schon eingeschaltet ist und die Unterlagen auf dem Tisch liegen- die Dozenten der ETI-Malta sind immer vor den Teilnehmern da und haben alles Wichtige vorab erledigt, um Zeit zu sparen.
Judie startet unseren Unterricht mit einem Songtext. Ich kenne den Song nicht, aber für mich ist der Text die Botschaft einer Person, die sich danach sehnt, etwas mehr Ruhe und Zeit allein für sich zu haben. Das erinnert uns daran, dass menschliche Bedürfnisse oft unterschätzt werden, auch die eigenen.
Das Gefühl, Zeit allein für sich zu benötigen und niemanden in solchen Momenten an sich ran zu lassen ist auch eine besondere Form der Diversität. Hier besteht die Inklusion darin, die Menschen so in einer Gruppe zu lassen, wie sie sind- eben mit dem Bedürfnis etwas auf Distanz zu blieben.
Es geht um das Einhalten der Distanz, die Menschen manchmal mit Absicht aufbauen. Die gestellten Grenzen sollten erkannt und diese vorerst nicht überquert werden. Auch in der Bildung, oder besonders darin, werden solche Grenzen manchmal nicht erkannt. Es hilft niemandem, wenn man mit aller Kraft und über den Wunsch der Schüler hinaus versucht, ihm vermeintlich „zu seinem Besten“ in einer Gesellschaft zu integrieren.
Schüler oder Kursteilnehmer mit auffälligem Verhalten, oder einfach Menschen aus anderen Kulturen gehen manchmal ihre eigenen Wege und selbst bei einem Hilfeversuch blocken sie ab und bleiben unnahbar. Die Akzeptanz und der Respekt vor den gestellten Grenzen, selbst dann, wenn der Lehrer oder der Dozent zum Rest der Gruppe ein enges Verhältnis aufgebaut hat, stehen hier an erster Stelle.
Aus diesem Anlass heraus zeigt uns Judie die Seite des SEMPRE-Projekts der Universität in Latvia. SEMPRE ist ein Projekt, das Menschen mit besonderen Bedürfnissen unterstützt und ihnen unter anderem auch die Möglichkeit gibt, sich in bestimmten Fakultäten einzuschreiben, wo das Lernen so aufgebaut ist, dass sie zum einen genug in sozialen Projekten involviert sind, aber gleichzeitig auch „ihre Ruhe“ haben können.
Weiter unten auf der Seite des SEMPRE-Projekts sehe ich, dass sie in Europa mehrere lokale Netzwerke haben, einige davon in Deutschland. Ich lese da Nordfriesland, Plön, und – wie jetzt, Dithmarschen? Das ist ja wirklich bei uns in Tornesch „um die Ecke!“ So ein wenig stolz bin ich schon, dass wir in Schleswig-Holstein uns mit diesem Projekt so aktiv befassen und es unterstützen!
Weniger stolz bin ich eigentlich darauf, dass ich es nicht wusste. Es ist aber eine gute Information, denn ich kann mir gut vorstellen, dass auch Teilnehmer unserer Volkshochschule davon profitieren können, sobald sie etwas besser mit der deutschen Sprache fortgeschritten sind.
Flüchtig gesehen stelle ich fest, dass in Dithmarschen viele Möglichkeiten für Menschen mit Belastungen bietet, und anscheinend nicht nur ihnen. Ich mache mir die Notiz, mir das zu Hause in Ruhe mal genauer anzusehen und festzustellen, was genau dort gemacht wird. Tolle Sache!
Wir unterhalten uns kurz über die Körpersprache der Menschen und die Fähigkeiten, ihre Signale richtig zu lesen. Die Körpersprache kann Dozenten und Lehrern helfen das Verhalten ihrer Schüler besser zu verstehen. Grundsätzlich sind hier die Kompetenzen der Dozenten nicht nur in ihrem Fach angesprochen, sondern ihre pädagogischen und menschlichen Skills.
Wir machen einige Übungen, die uns erlauben, Signale zu deuten und mit den damit gesendeten Botschaften umzugehen. Dabei geht es nicht nur darum, auf die Teilnehmer eines Kurses richtig einzugehen, sondern auch als Dozent seine eigenen Grenzen zu setzen, denn während des Unterrichtens ist ein Dozent an vielen Stellen gefordert und muss verschiedene Situationen meistern.
Der Sinn für die Körpersprache und die durch sie gesendeten Signale zu entwickeln hilft auch dem Dozenten sich in bestimmten Situationen besser einzufinden, Teilnehmer zu unterstützen und dabei selbst den richtigen Weg aus diesen Situationen zu finden.
Das erleichtert das Unterrichten mit Sicherheit, aber auch im Büro, bei dem Umgang mit neuen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, kann mir das eine große Hilfe sein, mehr Acht darauf zu geben. Denn, egal woher die Leute kommen, eine Sprache sprechen wir alle gemeinsam- diese des Körpers und seiner Haltung. Wir konzentrieren uns weiterhin auf dieses Thema, machen schriftliche Übungen darüber und diskutieren. Tanja erzählt einige Erfahrungen aus der eigenen Praxis als Lehrerin.
Am Nachmittag arbeiten wir ein wenig an unserer Präsentation. Judie hilft uns manchmal und gibt uns auch die Möglichkeit, ihr Fragen zu stellen. Sie ist eine sehr aufmerksame Zuhörerin.
Nach dem Unterricht geht’s direkt weiter mit der Tour nach M’dina. Obwohl mir auch diese Tour schon bekannt ist, ist M’dina immer wieder sehenswert. Ich erinnere mich daran, dass ich schon im letzten Jahr so fasziniert von der „Stillen Stadt“ war, dass ich am nächsten Tag direkt nach der Führung noch einmal dorthin gefahren war. Man hat dort wirklich das Gefühl, dass die Zeit stehen geblieben ist. Die Gassen sind fast leer, bis auf unsere Gruppe. Nur hinter den halb geöffneten, schweren, wunderschönen Holztüren der sandfarbenen Gebäude sieht man hier und da, dass irgendwo noch Leben ist. Es ist faszinierend, da es auf mich wie eine in einer anderen Dimension versteckte Welt erscheint.
Wir beenden unsere Tour in dem tollen Café „Fontanelle“, in dem es einen großen Stück Kuchen und einen Mokka-Kaffee für mich gibt. Wir kehren am frühen Abend zurück nach San Gjilian, und später mache ich noch einen Ausflug nach Silema, um etwas bei den tollen, dicht bewachsen mit blühenden Oleandern Buchten spazieren zu gehen und zu entspannen. Morgen wird eine Präsentation gehalten- da bin ich sogar fast schon aufgeregt!
Malta, den 17.07.2020, Tag 5.
Der letzte Kurstag in Malta startet früh- ich möchte mir schnell noch die Präsentation ein letztes Mal angucken. Außerdem hatten wir noch eine kleine Hausaufgabe von Judie bekommen, die ich genau wie in den Schulzeiten absolut stressfrei in dem allerletzten Moment noch erledige 😊. Um 9 Uhr geht’s schon rüber zu ETI-Malta, und Judie erwartet uns in dem Raum.
Sie gibt uns die Möglichkeit noch ein wenig an den Präsentationen zu arbeiten und erzählt uns von dem neuen Kurs, der bei ETI angeboten wird: Discover Malta. Es ist ein zweiwöchiger Kurs, der zum einen zur Übung der englischen Sprache dient, zum anderen aber Malta sehr intensiv kulturell, geschichtlich und kulinarisch präsentiert und den Menschen nahebringt. Tolle Sache, das behalte ich mal im Hinterkopf!
Dann kommt die Zeit, dass Tanja und ich unsere Präsentationen zeigen. Ich darf starten und erzähle zuerst Tanja und Judie wer wir in Tornesch sind und was wir genau machen. Selbstverständlich zeige ich auch den kleinen Image-Film über die Volkshochschule Tornesch-Uetersen, den wir vor zwei Jahren zu unserem Jubiläum haben drehen lassen.
Judie und Tanja gefällt er sehr gut, sie äußern ihre Begeisterung über die gewählten Szenen und die dazu passende Musik. Beide stellen viele Fragen zu unseren Kursen und sind sehr überrascht, dass in so einem kleinen Ort wie Tornesch (ich hatte es auf der Karte gezeigt- zentral in den Feldern gelegen, mit Hamburg als Vorort😊) ein so vielfältiges Kursangebot entstanden ist und dieses auch angenommen wird. Knapp 2500 Kilometer von zu Hause fühle ich mich ganz schön stolz auf unsere kleine, aber moderne, innovative und bunte Volkshochschule!
Danach präsentiere ich das von mir ausgesuchte Thema des Kurses. Aus meiner Sicht ist es eindeutig der Unterschied zwischen Integration und Inklusion, und meiner Meinung nach dürfen diese zwei Begriffe nicht getrennt werden, denn ohne den anderen kann keiner der beiden wirklich funktionieren. Man sollte sie also wie ein Paar Schuhe betrachten- man kommt nicht weiter nur mit einem davon!
In meiner Präsentation bin ich auf die Unterschiede zwischen Gleichheit und Gerechtigkeit (equality and equity) eingegangen und warum die individuelle Unterstützung von Teilnehmern unter Beachtung der persönlichen Eigenschaften, familiären Gegebenheiten und den eigenen Zielen deutlich mehr Sinn macht.
Dabei ist wichtig, dass die Dozenten Kenntnisse über die Arten von Intelligenz (multiple intelligence) besitzen, damit sie diese dann bei den einzelnen Teilnehmern erkennen und fördern können. Und es ist wichtig, sich diese Zeit zu nehmen, denn diese wird später mit Sicherheit an anderen Stellen im Lernprozess erspart. Auch die interkulturellen Kompetenzen sollen erweitert werden, denn es ist sehr hilfreich zu wissen, wie sich die Kultur der Teilnehmer auf ihre Lernstrategie ausgewirkt hat, was in dieser Kultur üblich ist und welche Begriffe des Lernprozesses bereits bekannt sind.
Man kann sich dann Gedanken um alternative Lernstrategien machen und diese unterstützen, um das Hauptziel zu erreichen: eine gute Beherrschung der deutschen Sprache, die Integration in der deutschen Gesellschaft neben dem Erhalt der eigenen Kultur und die Inklusion durch das eigene neu gebildete Umfeld.
Nach mir ist Tanja dran. Sie hat ein komplett anderes Thema gewählt. So kann man sehen, wie unterschiedlich die Sichtperspektiven der Menschen sind und das ist gut so, denn jeder nimmt für sich das mit, was für seine Arbeit wichtig ist. Für Tanja als Englisch-Dozentin ist sehr wichtig bei den Teilnehmern unterscheiden zu können, welche Hintergründe sie haben, um ihnen das richtige Vokabular bieten zu können.
Sie geht auch auf die Unterschiede zwischen Migranten, Asylanten, Flüchtlinge, Gastarbeiter und deutsche Bürger, die dennoch eine Beschulung in ihrer eigenen, oder einer fremden Sprache brauchen, ein. Ihr ist während des Kurses bewusst geworden, dass selbst bei Menschen mit der gleichen Herkunft es vollkommen unterschiedliche Gründe der Migration geben kann.
Wenn Personen aus einem Land kommen, in dem Krieg herrscht, so nimmt man automatisch an, sie seien nur aufgrund der Gefahr nach Deutschland gekommen, was auch zu einem großen Teil richtig ist. Dennoch ist dies nicht immer der Fall, und die automatische Zuordnung eines Menschen nur aufgrund seiner Herkunft kann oft Schwierigkeiten bereiten, um ihn richtig zu beschulen und um sein Lernziel dabei zu erkennen. Tanja macht uns mit einem konkreten Fall einer jungen Frau aus Äthiopien bekannt.
Ihre Präsentation ist sehr interessant und bietet eine ganz andere Sicht auf das Gelernte in diesem Kurs. Auch eine sehr konkrete und konstruktive Einschätzung der eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten hat Tanja von diesem Kurs mitgenommen. Als Dozentin ist es sehr wichtig für sie, sich selbst dabei nicht aus den Augen zu lassen und sich über die eigenen Methoden und Strategien des Unterrichtens bewusst zu sein. Auch wenn ich nicht unterrichte, kann ich mich dem nur anschließen.
Ein so intensiver Kurs über Menschen und ihre Individualitäten soll immer Erkenntnisse auch über einen selbst bringen. Man kann keine neuen Projekte und Prozesse entwickeln, wenn man sich selbst nicht positiv kritisch betrachtet und sich dabei selbst entwickelt. Darüber sind wir uns alle drei einig.
So geht der letzte Tag unseres Kurses zu Ende und Tanja und ich erhalten unsere Zertifikate. Ich muss an dieser Stelle ein großes Lob an ETI-Malta aussprechen. Auch dieses Mal, unter den besonderen Bedingungen der Corona-Pandemie, waren sie bestens organisiert und vorbereitet, aber auch offen für jeden Teilnehmer und immer bestens gelaunt. Jedes Mal, wenn wir etwas gebraucht haben, wurde es mit einem Lächeln erledigt und angeboten. Jedes Mal haben wir uns willkommen und gut betreut gefühlt. Ich muss einfach so direkt sagen- sie sind auf Arbeit mit Menschen ausgerichtet: sie sind flexibel und kundenorientiert, und machen einen wirklich guten Job! Dieses Feedback habe ich ihnen auch sehr gern gegeben!
Am Nachmittag fahre ich zu der Nebeninsel Gozo. Ich erinnere mich noch viel zu gut an den wunderschönen Ort, an dem früher das ins Meer gestürzte Naturphänomen Azure Window stand und will noch einmal dorthin. Die Überfahrt nach Gozo und zurück geht genauso unkompliziert wie im letzten Jahr. Wieder einmal bin ich zutiefst beeindruckt von der einzigartigen Atmosphäre dieses Ortes, er wirkt nach wie vor magisch auf mich.
Dieses Mal halte ich mich länger auf Gozo auf, da ich nun weiß, dass die Fähre zurück zur Hauptinsel bis Mitternacht alle halbe Stunde fährt. Ich schaffe es, mehrere Fotos von Gozo bei Dämmerung zu machen, und genieße die Überfahrt zurück in voller Dunkelheit aufs Meer.
An dem nächsten Tag, den ich mir extra auf Malta eingeplant habe, werde ich noch die Blaue Grotte besuchen, um dort zu schwimmen, sowie einer der Three Cities- Birgu, denn von dort aus hat man mir eine herrliche Aussicht zu Valletta versprochen. Am Sonntag geht es dann zurück nach Deutschland.
Und nun blicke ich zurück auf diese Woche und stelle fest, dass ich auch dieses Mal wirklich großes Glück hatte. Ich hatte wieder einmal eine sehr einfühlsame, kompetente und zugewandte Dozentin mit viel Erfahrung. So fühlte ich mich in diesem Kurs in jeder einzelnen Minute beschäftigt, gefordert, gefördert… willkommen!
Ich hatte auch großes Glück mit Tanja, denn wir haben uns wirklich wunderbar ergänzt, uns gegenseitig immer den richtigen Gedankenanstoß gegeben und noch dazu wahnsinnig viel gelacht und Spaß gehabt. Auch für die Anwendung der englischen Sprache war es perfekt- denn, wenn einer von uns mal das richtige Wörtchen fehlte, so wusste die andere es meistens sofort.
Ja, zugegeben- mir passierte es definitiv öfter als Tanja, aber was für ein großes Privileg ist das, in einem so tiefgründigen und gedankenintensiven Kurs mit einem so speziellen Vokabular eine so kompetente Englisch-Dozentin neben sich zu haben- und dazu noch so offen und lustig!
Dass wir nur zu zweit in diesem Kurs waren, war ebenfalls ein großes Glück- wir hatten unsere Dozentin komplett für uns. Der Kurs selbst war genau das, was ich in meiner Tätigkeit benötige. Er war wie dafür zugeschnitten und hat mir mehr gegeben, als ich mir erhofft habe. Ich kann nur jedem, der danach fragt, mit gutem Gewissen sagen: mach das bloß!
Es ist immer anders, es ist in jeder Hinsicht ein großes Glück, und es ist gemeinsam für alle, und doch so individuell- weil Diversität der Kern der Welt ist und jeder von uns dazu gehört, wie er ist!