Florenz: Facing Diversity. Intercultural Classroom Management (2)

von M. Stange

Zwei Jahre lang wurde diese Mobilität verschoben. Die Coronageschichte hat alle Pläne durcheinander geworfen und vieles wurde erst im letzten Moment entschieden. Doch letztendlich hat alles geklappt. Vielen lieben Dank an die Zuständigen bei dem Landesverband!

Nun bin ich hier in Italien und genieße das wunderschöne und warme Frühlingswetter. Die Stadt ist wunderschön, aber die Menschen sind laut. Überall riecht es nach Parfüm und Essen, man hört verschiedene Sprachen und sieht viele Gesichter. Es sind Osterferien, die Hochsaison in Florenz. Viele Eindrücke gleich am ersten Tag, weshalb ich müde und früh ins Bett gehen werde. Am nächsten Tag geht es los mit der Fortbildung.

Tag 1: Montag, 11. April 2022

Mein Kurs heißt „Facing Diversity: Intercultural Classroom Management“. Ich bin gespannt, was mich erwartet und wer die anderen Teilnehmer sind. Die Bildungseinrichtung versteckt sich in einer der engen verwinkelten Gassen des Zentrums. Das Gebäude war gar nicht so leicht zu finden. Google Maps scheint ihr eigenes Leben zu leben.

Doch endlich bin ich da und im Raum sitzen schon zwei Teilnehmer. Zuerst sprechen wir Englisch miteinander, doch als bei der Frage nach dem Land „Deutschland“ kommt, wechseln wir in die deutsche Sprache. Nach und nach kommen auch die anderen Kursteilnehmer. Wir sind insgesamt zehn Personen aus Serbien, Portugal, Spanien und Deutschland.

Unsere Kursleiterin ist gebürtige Italienerin auch wenn ihr Vorname Layla etwas anderes vermuten lässt. Sie ist nett, lustig und locker und als erstes gibt sie uns Tipps, was man in Florenz unbedingt sehen muss und wo man die besten Fotos machen kann. Dann bekommen wir Infos zum Kursablauf, der auch einen Ausflug durch Toscana beinhaltet. Danach folgt ein Icebreaker-Spiel. Wir erfahren die Namen, Hobbys oder Gewohnheiten der anderen und suchen nach Gemeinsamkeiten.

Als Nächstes sollen wir unsere Bildungseinrichtungen präsentieren. Layla macht den Vorschlag, dass wir die Präsentationen auf 2-3 Tage aufteilen. Ich bin heute dran mit erzählen. Viele kennen das Konzept der Volkshochschule nicht, weshalb viele Fragen aus dem „Publikum“ kommen. Später sprechen wir über die Begriffe „multikulturell“ und „interkulturell“, diskutieren über die Unterschiede zwischen Integration und Inklusion. Ich bin überrascht, dass es in Italien keine Förderschulen oder Schulen für Kinder mit besonderen Bedürfnissen gibt. Es gab auch noch nie welche. Das Konzept an sich ist natürlich toll, doch es scheitert wie überall an Fördermitteln und Personal.

Layla zeigt uns ein kurzes Video, in dem es über das Thema der Vorurteile geht. Wir fragen uns, ob es positive und negative gibt, ob man jede Klassifizierung als Vorurteil einordnen kann. Schließlich kommen wir zum Ergebnis, dass man es so pauschal nicht sagen kann, man auf jeden Fall darüber reden und je nach Situation handeln sollte. Heute gibt es viele interessante Diskussionen und Meinungen. Ich merke, wie unterschiedlich wir alle sind und ich freue mich auf die nächsten spannenden Tage mit meiner Gruppe.

Tag 2, Dienstag, 12. April 2022

Der heutige Tag geht gleich mit einem weiteren Icebreaker-Spiel los: Wir sollen mit Hilfe von Google ein typisch florentinisches Menü erstellen. Wie gut, dass ich gut gefrühstückt habe! Bei der Recherche läuft einem das Wasser im Mund zusammen, so lecker sehen die Bilder vom Essen und ihre Beschreibung aus.

Danach beschäftigen wir uns mit einem ernsteren Thema und zwar „Gründe für Diversität in der Schule“. Wir sprechen über die Herausforderungen beim Unterrichten in multikulturellen Gruppen und suchen zusammen nach Ideen und Strategien, um mehr Akzeptanz in solche Gruppen reinzubringen, mit dem Ziel, mögliche Konflikte vorzubeugen.

Wie es sich herausstellt, ist das Phänomen Zuwanderung in manchen Ländern, wie z.B. Portugal oder Serbien, relativ neu. Die Lehrenden wurden in den letzten Jahren quasi ins kalte Wasser geworfen und wissen nicht so genau, wie sie die damit verbundene Probleme behandeln sollen. Da muss ich an Deutschland denken und bin ein bisschen stolz, dass wir schon mehr Erfahrungen und Routine damit haben. Auch als meine Kollegin aus Spanien erwähnt, dass die spanische Jugend von heute sehr rassistisch ist, kann ich ihr nicht zustimmen, wenn ich an die deutschen Schüler denke. Klar, die Schulpolitik spielt hier eine nicht unerhebliche Rolle.

Am Ende des heutigen Tages bekommen wir noch etwas Input über Kommunikation, wie sie funktioniert und welche Arten der Kommunikation es gibt. Diese Diskussion schafft den Übergang zum „Cultural Iceberg“ Modell. Darüber sprechen wir nur kurz, aber ich möchte das Modell später noch einmal in Ruhe anschauen. Ich finde es sehr interessant und anschaulich.

 

Tag 3, Mittwoch, 13. April 2022

Heute dreht sich alles um Konflikte, Emotionen, Gefühle und Achtsamkeit und wie sie miteinander verbunden sind. Als erstes machen wir einen Multiple Intelligence Test, um unsere starken Seiten zu identifizieren. Die meisten habe ich auf dem verbalen und linguistischen Feld. Es war ja auch zu erwarten. Nicht umsonst bin ich Sprachenlehrerin geworden. Etwas enttäuscht bin ich, da ich wenige Punkte im Bereich der Musik gesammelt habe. Nun ja, ich spiele kein Musikinstrument, auch wenn ich es gerne tun würde.

Nach dem Test besprechen wir die Ergebnisse und Layla erklärt uns den Begriff „Emotional Intelligence“: ein Mix aus Interpersonal und Intrapersonal Intelligence. Das heißt, ich kann die anderen verstehen und ihnen helfen, nur wenn ich mich selbst verstehen kann. Wir schauen uns das Rad der Gefühle an und ich überlege mir, dass ich es auch sehr gut in meinem Sprachunterricht anwenden kann, wenn ich das Thema „Gefühle, Emotionen und Selbstbefinden“ im Unterricht einführe. Positive Education muss man googeln, wenn man mehr zu diesem Thema finden möchte, gibt unsere Leiterin den Tipp.

Dann werden wir in Paare aufgeteilt und sprechen über unsere Vornamen. Wer hat uns so genannt? Woher kommt der Name? Mögen wir unsere Vornamen? Diese Übung soll der Entwicklung von Empathie fördern, die ein wichtiger Teil unseres Jobs als Lehrkraft ist. Außerdem hilft Empathie Konflikte besser zu lösen oder vorzubeugen. Ja, Konflikte sind unvermeidbar, „but combat is optional“ (Max Lucado). Das müssen wir uns als Lehrer vor Augen führen und versuchen, eine bessere Lösung, als Zuspitzung des Konflikts zu finden. Konfliktwurzeln liegen immer tiefer, man erkennt sie nicht gleich, aber es lohnt sich danach zu suchen. So ist Wut nicht gleich Wut, es können sich viele andere Emotionen dahinter verstecken, z.B. Angst, Schmerz oder Eifersucht.

Nach solchen tiefgründigen Themen brauchen wir ein bisschen Abwechslung. Die Europass Academy hat für uns eine kleine Stadtführung organisiert. Wir laufen mit unserem Guide Alessandro durch die historischen Plätze von Florenz und erfahren viel über die Geschichte dieser wunderschönen Stadt.

Tag 4, Donnerstag, 14. April 2022

Wir beginnen mit einem Brainstorming zur Frage „Was verstehe ich unter Kompetenz?“. Es kommen viele Vorschläge, doch nichts Neues. Als Lehrkräfte wissen wir alle, dass es verschiedene Arten von Schlüsselkompetenzen gibt und sie miteinander verbunden sind. Und wie kann man Kompetenzen entwickeln und fördern? Zum Beispiel, wenn man ein reales Problem lösen soll. Im Unterricht wäre es eine bestimmte Aufgabe (Task based learning) oder noch besser ein ganzes Projekt (Project based learning).

Die zweite Methode ist natürlich viel aufwendiger, was Vorbereitung und Umsetzung angeht. Doch es würde sich auf jeden Fall lohnen, das ist mir klar. Wichtig ist, dass die Lerner sich nicht alle Antworten und Lösungen „ergoogeln“ können. Sie sollen ihre eigene Kreativität und Fähigkeit des kritischen Denkens nutzen. Wir sehen uns ein Video an, das zeigt, wie so ein Aufgabenbasiertes Lernen aussehen könnte. Im Video überlegen die Schüler, wie ihr eigener utopischer Staat aussieht. Eine sehr interessante Aufgabe, finde ich. Wir bekommen aber eine andere Aufgabe und sollen ein eigenes Projekt kreieren. Da bin ich ein bisschen überfordert, weil man so was nicht in einer halben Stunde basteln kann. In groben Zügen haben wir es doch geschafft. Hier geht es wahrscheinlich wieder nicht um das fertige Ergebnis, sondern um ein Know-how.

 

Tag 5, Freitag, 15. April 2022

Am letzten Tag sind im Kurs leider nur fünf Teilnehmer, mich inklusive, anwesend. Die andere Hälfte der Gruppe hat ihre Zertifikate am Tag davor erhalten und reisen heute ab. So sitzen wir gemütlich in der kleinen Runde und springen ständig vom Pflichtprogramm in Gespräche über das Private. Gestern haben wir ein paar Projekte erarbeitet. Heute stellen wir sie uns gegenseitig vor und tauschen uns über die Ideen aus. Interessant und für mich neu ist die Kreativitätstechnik „6-Hüte-Methode“, die von Edward de Bono 1986 entwickelt wurde und zur Ideenfindung eingesetzt wird. Jede Rolle bzw. Hut entspricht einer bestimmten charakteristischen Denkweise oder einem Blickwinkel, wie z.B. analytisches, kritisches oder emotionales Denken. Dadurch wird keine Perspektive außer Acht gelassen und die bestmögliche Lösung erarbeitet. Dann überlegen wir, welchen „Hut“ wir tragen, die meisten nehmen den Schwarzen, also kritisches Denken, Probleme, Skepsis. Ich kann mich nicht eindeutig zuordnen.

Die Zeit vergeht schnell und wir müssen uns voneinander verabschieden. Layla verteilt unsere Teilnahmebescheinigungen und wünscht uns alles Gute. Man wird ein bisschen wehmütig, da wir uns im Laufe der Woche alle doch irgendwie angefreundet haben. Okay, ein paar Teilnehmer sehe ich morgen noch einmal bei unserem Tagesausflug, der von Europass organisiert wurde. Aber dann ist auch wirklich Schluss.

Ciao Firenze!!! Es war sehr schön mit dir.